Lichtbogen gezündet trotz abgeschaltetem Wechselrichter

In der letzten Zeit haben sich die Fragen gehäuft, warum man manchmal bei abgeschaltetem Wechselrichter plötzlich einen Lichtbogen zieht, wenn man die DC Stecker vom Wechselrichter trennt.  Da mir das selbst auch schon passiert ist und wir den Grund dafür recht schnell gefunden haben, möchte ich hier im Blog mal drüber berichten.

Bei Wiederholungsprüfungen an Photovoltaikanlagen oder im Fall einer Fehlersuche werden oft alle Stränge von den Wechselrichtern getrennt, um diese dann einzeln zu messen. Meist mit einem Gerät, dass in einem Messvorgang die Leerlaufspannung, den Kurzschlussstrom und den Isolationswiderstand des jeweiligen Modulstranges misst. Macht man es richtig, wird vor dem Trennen der DC Leitungen an jedem Modulstrang mit einer Stromzange geprüft, ob noch ein Gleichstrom fließt. Erst wenn durch diese Prüfung sichergestellt ist, dass die Leitungen stromlos sind, können die DC Stecker von den Wechselrichtern getrennt werden. Doch, Hand aufs Herz, wer macht das schon jedes mal so sorgfältig ?  Oft wird im Eifer des Gefechts schnell mal der DC Stecker gezogen und in einigen Fällen zieht man einen gewaltigen Lichtbogen. Das ist in aller Regel nicht nur mit einem ordentlichen Schrecken verbunden, es kann auch gefährlich werden. Wenn man z.B. bei einem schlecht zugänglichen Wechselrichter gerade auf einer Leiter steht. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf die Qualität der DC Steckkontakte. Diese sollten nach einem größeren Lichtbogenereignis sicherheitshalber ausgetauscht werden, da nicht mehr sichergestellt werden kann, dass danach die Verbindung noch genauso niederohmig ist, wie sie vorher war. Bei Einbausteckern in den Wechselrichtern ist das natürlich mit einer größeren Aktion verbunden. Im ungünstigsten Fall muss der Wechselrichter zur Reparatur geschickt werden. Das macht natürlich auch kein Mensch und in der Praxis kommt es eben genau durch solche Ereignisse vor, dass Steckverbinder an den Wechselrichtern heiß werden und sich irgendwann überhaupt nicht mehr öffnen lassen.

Langer Vorrede kurzer Sinn: Bitte messt grundsätzlich die DC Ströme und stellt sicher dass keiner fließt, bevor Ihr an den Steckern zieht.

Doch nun zu der eigentlichen Frage, warum eigentlich bei abgeschaltetem DC Schalter am Wechselrichter überhaupt noch ein Strom fließt ?

Bevor man einen DC Stecker an einem Wechselrichter zieht, sollte man immer zuerst mit einer Stromzange nachprüfen, ob der Strang stromlos ist.
Bevor man einen DC Stecker an einem Wechselrichter zieht, sollte man immer zuerst mit einer Stromzange nachprüfen, ob der Strang stromlos ist.

Die Antwort ist denkbar einfach: Es wurden am Wechselrichter mehrere Stränge parallel geschaltet und der DC Schalter am Wechselrichter trennt diese Parallelschaltung nicht auf. Die Parallelschaltung der Stränge liegt also vor dem Schalter. Bei der Parallelschaltung von vielen Strängen in einem Gleichstromanschlusskasten tritt dieses Problem ebenfalls auf. In Gleichstromanschlusskästen gibt es aber in aller Regel Strangsicherungen, die dann meist ausgelöst haben. Doch nun zu der Frage, wo der Stromfluss überhaupt herkommt ?
Es handelt sich um Ausgleichsströme zwischen den Modulsträngen, die dadurch entstehen, dass zwei Stränge eine unterschiedliche Spannung haben. Für eine unterschiedliche Spannung gibt es zahlreiche Gründe, die wir jetzt mal der Reihe nach durchgehen wollen.

  1. Einer der beiden Stränge hat eine Teilverschattung. In diesem Fall ist die Spannungsdifferenz eher gering (siehe Abhängigkeit der Spannung von der Einstrahlung = logarithmische Funktion) und es fließt ein entsprechend kleiner Strom.
  2. In den beiden parallel geschalteten Strängen wurde eine unterschiedliche Modulanzahl verbaut. Je nachdem wie stark sich die Stranglängen unterscheiden, können hier erhebliche Ausgleichströme fließen.
  3. In einem der beiden Modulstränge gibt es Module mit defekten, kurzgeschlossene Bypassdioden, so dass von der Spannung eines oder mehrerer Module jeweils ein Drittel fehlt.
  4. Einer der beiden Modulstränge wurde verpolt angeschlossen. Das ist der schlimmste Fall. Hier sind die beiden Modulstränge dann nämlich nicht parallel, sondern in Reihe geschaltet. Die treibende Spannung ist dann nicht mehr die Spannungsdifferenz der beiden Stränge, sondern die Summe der beiden Leerlaufspannungen der einzelnen Stränge.

Was kann man tun, wenn der Strom nicht gleich 0A ist ?

Zunächst sei angemerkt, dass die Ströme in größeren PV-Anlagen in den seltensten Fällen exakt 0A ist. Durch leicht unterschiedliche Einstrahlungen auf beide Stränge fließt oft ein kleiner Strom von 100-200mA. Dies deutet auf keine allzu große Spannungsdifferenz hin und die Stecker können gefahrlos getrennt werden. Liegt der Strom allerdings schon im Bereich um 1A ist in jedem Fall Vorsicht geboten und es kann beim Ziehen der Stecker zu einem Lichtbogen kommen. Als Beispiel sei gesagt, dass bereits bei einem Modul weniger in einem der beiden Stränge Ströme um die 1,5-2 A völlig normal sind.
Fließt ein Strom in dieser Größe muss man den DC Stecker gesteckt lassen. Erst wenn die Einstrahlung geringer ist und der Strom nur noch bei 100-200mA liegt, kann der Stecker gefahrlos gezogen werden. Im nächsten Schritt ist dann direkt eine Fehlersuche angesagt. Man muss rausfinden, wo die beiden parallel geschalteten Modulstränge im Feld liegen und anschließend muss dafür gesorgt werden, dass beide Stränge die gleiche Spannung liefern.

Bei Neuanlagen kommen solche Fehler übrigens öfters mal vor. Es ist schnell passiert, dass ein Modul, das eigentlich noch zu Strang 1 gehört plötzlich in Strang 2 gelandet ist. In diesem Fall hat dann der Strang 1 ein Modul zu wenig und der Strang 2 hat eines zu viel, mit der Folge, dass die Spannungsdifferenz der beiden Stränge bereits der Spannung von 2 Modulen entspricht.

Bei Altanlagen sind größere Ausgleichströme immer mit Fehlern in einem der beiden Stränge verbunden. Das können zum Beispiel kurzgeschlossene Bypassdioden in einem der beiden Stränge sein. Es kommt aber auch oft vor, dass Serviceteams Module mit Glasbruch aus dem Strang herausnehmen und, wenn der Ersatz noch nicht Vorort ist, einfach mal das fehlende Modul überbrücken.

Gibt es eine Möglichkeit, die Höhe des Ausgleichstromes zu bestimmen ?

Zum Schluss möchte ich noch einen Trick verraten, wie man sich ganz einfach herleiten kann, wie groß die jeweils fließenden Ausgleichsströme sind. Dafür benötigt man lediglich die Kennlinien der beiden Einzelstränge.

Das nachfolgende Bild zeigt schematisch die Parallelschaltung zweier Stränge.

Das Bild zeigt schematisch den Stromfluss bei ausgeschaltetem DC Schalter am Wechselrichter, wenn 2 Stränge mit unterschiedlicher Stranglänge parallel geschaltet wurden.
Das Bild zeigt schematisch den Stromfluss bei ausgeschaltetem DC Schalter am Wechselrichter, wenn 2 Stränge mit unterschiedlicher Stranglänge parallel geschaltet wurden.

Macht man einen Spannungsumlauf (Stichwort: Kirchhoffsche Maschenregel) , so wird sofort klar, dass an den Klemmen beider Solarmodule die gleiche Spannung anliegen muss. Diese wird durch das Parallelschalten sozusagen eingeprägt. Falls es zu einem Ausgleichsstrom kommt, fließt dieser Strom entweder von Strang 1 in Strang 2 oder von Strang 2 in Strang 1. Es ist auf jeden Fall (hoffentlich) klar, dass die Ströme in Strang 1 und Strang 2 gleich groß sein müssen, da der DC Schalter zum Wechselrichter hin ja abgeschaltet ist. Wenn ein Strom fließt, kann er nur zwischen den beiden Strängen fließen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.  Wenn ich nun 2 Modulstränge habe, deren Spannungen exakt gleich sind und deren Ströme gleich groß aber mit unterschiedlichem Vorzeichen sind, so kann ich den sich einstellenden Arbeitspunkt ermitteln, indem ich beide Kennlinie in ein Strom-Spannungsdiagramm eintrage. Wem der Begriff Arbeitspunkt nichts sagt. Der Arbeitspunkt, ist der Punkt auf der Kennlinie beider Stränge, der sich nach der Parallelschaltung einstellt. Also der Strom und die Spannung, die man messen kann, wenn beide Stränge parallel geschaltet sind. Wie man diesen Arbeitspunkt grafisch ganz leicht ermitteln kann, zeigt das untenstehende Bild.

Zur Ermittlung des Arbeitspunktes bei parallelen Modulsträngen kann man die Kennlinien der beiden Einzelstränge in ein Diagramm einzeichnen. Eine Kennlinie muss dazu an der Spannungsachse gespiegelt werden. Auf diese Weise lässt sich der Arbeitspunkt grafisch ermitteln.
Zur Ermittlung des Arbeitspunktes bei parallelen Modulsträngen kann man die Kennlinien der beiden Einzelstränge in ein Diagramm einzeichnen. Eine Kennlinie muss dazu an der Spannungsachse gespiegelt werden. Auf diese Weise lässt sich der Arbeitspunkt grafisch ermitteln.

Wer sich nun fragt, warum eine der beiden Kennlinien an der Spannungsachse (X-Achse) gespiegelt wurde, der sei nochmal auf das erste Bild (oben) verwiesen. Wenn ein Ausgleichsstrom fließt, muss dieser in einem der beiden Stränge immer das entgegengesetzte Vorzeichen haben, wie im anderen Strang. I1 = -I2. Dies erreicht man grafisch, in dem man einfach die Kennlinie des Stranges dessen Strom negativ wird (der mit der geringeren Spannung) an der Spannungsachse (X-Achse) spiegelt. Der Schnittpunkt beider Kennlinien ist dann der sich einstellende Arbeitspunkt.

Man sieht an der Darstellung beider Kennlinien auch direkt, dass dieser Strom schon bei kleinen Spannungsunterschieden recht groß werden kann. Geht man davon aus, dass die Leerlaufspannung bei modernen Modulen ca. 20% über der MPP-Spannung liegt, so ergibt sich bei einem Strang mit 20 Modulen schon bei einem Unterschied von 2 Modulen ein Ausgleisstrom in der Größenordnung des Nennstroms der Module. Je besser also die Module sind und je höher der Füllfaktor deren Kennlinie ist, desto größer ist auch der entstehende Ausgleichsstrom.

Die Grafik zeigt, dass bei Teilverschattung nur ein relativ geringer Ausgleichsstrom fließt.
Die Grafik zeigt, dass bei Teilverschattung nur ein relativ geringer Ausgleichsstrom fließt.

Schaut man sich den resultierenden Ausgleichsstrom zum Vergleich mal an, wenn einer der beiden parallelen Stränge verschattet ist, so sieht man, dass dieser Strom wesentlich geringer ist.

Für die Fehlersuche bleibt abschließend folgendes festzuhalten:

Wenn man in einer Anlage die einzelnen Stränge messen möchte und zu diesem Zweck die DC Stecker von den Wechselrichtern trennen will, immer zuerst den Wechselrichter abschalten und dann die Ströme messen.
Fließt noch ein größerer Strom, deutet das bereits auf einen Fehler in dem Strang hin, in dem der Strom negativ ist.  Um dies zu erkennen ist es notwendig, das Vorzeichen des Ausgleichsstromes zu beachten. Hinweis: DC-Stromzangen haben immer einen kleinen Pfeil, der angibt in welche Richtung man die positive Stromrichtung misst.

Auf DC Stromzangen findet man immer einen Pfeil, der in die positive Stromrichtung zeigt. Dreht man die Stromzange um 180° wird die Anzeige invertiert.
Auf DC Stromzangen findet man immer einen Pfeil, der in die positive Stromrichtung zeigt. Dreht man die Stromzange um 180° wird die Anzeige invertiert.

Der Strang muss dann im Feld gefunden werden, um den Fehler zu beseitigen. Das kann man mit der Thermographiemethode, mit dem pvTector oder mit Elektrolumineszenz machen. Oder natürlich mit einem korrekten Strangplan. Dann muss der Fehler in diesem Strang gefunden werden. Tagsüber ist hier die Thermographie die beste Methode.

Wer sich intensiver mit dem Thema Fehlersuche an Photovoltaikanlagen beschäftigen möchte, der sei auf unsere regelmäßig stattfindenden Seminare zu diesem Thema verwiesen. Die aktuellen Termine findet Ihr hier auf unserer Website.

Kommentare

  1. vielen Dank für diesen guten und relevanten Beitrag, den ich gerne verteile. PV sicher zu betreiben hat größten Vorrang. Technisch sauber / sorgfältig zu arbeiten ist die Grundlage dafür (jeden Unternehmen und deren Mitarbeiter) .

  2. Danke für den Beitrag
    Hand auf Herz – Ja auch mir ist das mit dem Lichtbogen an den Steckern auch schon passiert. An einem abgeschalteten MPP eines Stringwechselrichter waren zwei Strings mit 22 und einmal mit 16 Modulen angeschlossen. Schlimmer noch die Strings waren auf einem steilen Ost West Dach in unterschiedliche Richtungen orientiert. Es war Nachmittag und da hat es ordentlich gefunkt und ich bin vor Schreck fast von der Leiter gefallen. Der Errichter hat sich ordentlich was anhören können.
    Seitdem habe ich immer eine kleine Stromzage dabei. Da gibt es von Benning (Benning CM P2) ein handliches Teil, das in jede Hostentasche passt.

    Durch Zufall war bei einer von mir untersuchten Anlage mit großen 4.2 MVA Zentralwechselrichter ein GAK mit 24 Strings über längere Zeit abgeschaltet. Es war gutes Wetter. Die verbaute Sensorik waren Shunt Stromsensoren und entsprechend genau. Auch Rückströme können hiermit gemessen werden.
    Ohne dass ein Fehler an den Modulen vorlag, waren die Ausgleichsströme mit +0,8A bis -0,9A recht beträchtlich. Schaut man sich die zugehörige Position der Strings genauer an, fiel auf, dass im Leerlauffall die oberen Strings stets Erzeuger sind, während die mittleren und unteren Strings stets Verbrauchter sind. Wie bei den heutigen südaufgeständerten Freiflächenanlagen üblich, wurde bei der Anlage ein Verschattungsswinkel von 33° in Kauf genommen. Grund der Ausgleichströme innerhalb des GAKs war die unterschiedliche Bestrahlungsstärke an den oberen mittleren und unteren Modulstrings. Der Einsatz der bifazialen Module, sollte diesen Effekt noch etwas verstärkt haben.

    Lange Rede kurzer Sinn. Ich meine, dass nicht zwingend ein Fehler vorliegen muss, um beim Öffnen der Strings einen Lichtbogen zu ziehen. Vermutlich wird man es nicht vermeiden können die Halterung der Schmelzsicherung in einem GAK so auszulegen, dass man ggf. einen kleinen Lichtbogen zieht, wenn diese im Leerlauf geöffnet werden.

    Dem Effekt der Ausgleichströme kann man auch etwas positives abgewinnen.
    Man kann zumindest die Zuordnung der String zur Position auf dem Tisch hinreichend gut nachprüfen und damit die Sorgfalt des Errichters bzw. der Dokumentation erahnen. Man braucht bei gutem Wetter etwas tiefer stehende Sonne nur mal 15 Minuten Leerlauf und entsprechend gute Stromsensorik. Vielleicht hilft es die Welt der (automatisierten) Analyse etwas besser zu machen…

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