Die Seuche des ökonomischen Fundamentalismus

Hans Werner Sinn behauptet die in Deutschland getätigten Umweltanstrengungen seien kontraproduktiv, weil sie erstens eine Menge Geld kosten und zweitens nur dazu führten, dass andernorts mehr umweltschädliche Produkte konsumiert werden, weil der Minderverbrauch z.B. von Erdöl zu einer Verbilligung des selbigen führt und es daher in anderen Teilen der Welt umso stärker konsumiert wird. Seine Schlussfolgerung: Weltweite Regelungen zum Handeln mit Umweltressourcen führten dazu, dass sich alle in gleichem Maße an der Lösung des vermeintlichen Problems beteiligen.

 

Denjenigen, die sich in Deutschland für Umweltfragen und Energiewende einsetzen wirft er nutzloses “Gutmenschentum” und ideologische Verblendung vor. Recht hat der Mann. Kurzfristig werden die Aktivitäten keine messbaren Erfolge zeigen was z.B. die Reduktion von CO2 Emissionen angeht. Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang allerdings die Diskreditierung der Umweltbewegung als “ideologisch” im Gegensatz zu einer vorgeblich sachorientierten und objektiven wissenschaftlichen Sichtweise. Die Wirtschaftswissenschaften sind jedoch aus meiner Sicht – im Gegensatz z.B. zur Physik –  alles andere als eine objektive Naturwissenschaft. Hier wird versucht jeden Bereich des menschlichen Zusammenlebens in Marktmodelle zu pressen und sei dies auch noch so absurd. Man gewinnt zunehmend den Eindruck es mit religiös anmutendem Fanatismus zu tun zu haben, einer Art ökonomischem Fundamentalismus.
Jede Theorie in der Physik kann nur so lange aufrecht erhalten werden, bis es Experimente gibt, deren Ausgang mit der gültigen Theorie nicht mehr beschrieben werden kann. Es gibt keine absolute Wahrheit, keinen unhinterfragten Glaubenssatz wie in der Religion. Der Kern der Naturwissenschaften ist der Zweifel, ist die Suche nach neuer Erkenntnis. Betrachtet man in diesem Licht die Protagonisten der neoliberalen Wirtschaftstheorien wird schnell klar wo diese eher einzuordnen sind. Wann werden Menschen wie Herr Sinn es endlich verstehen, dass es die idealen Märkte nur in Ihren Theorien gibt, dass aber auch alle aus diesen Theorien gezogenen Schlussfolgerungen wertlos sind, wenn Sie auf idealisierten Modellen basieren, die so in der realen Welt nicht existieren. Aus einer falschen Aussage kann man logisch jeden Schluss ziehen. Dieser ist aber vollkommen wertlos. Natürlich wäre es besser einen idealen weltweiten Markt mit einheitlichen Spielregeln zu haben, die am Besten auch noch demokratisch entwickelt und legitimiert werden. Das ist aber reine Ideologie, das ist eine Vorstellung, die mit der Realität nichts gemein hat.

Die einzige Möglichkeit nachhaltig und langfristig etwas zu verändern, ist es deshalb selbst damit zu beginnen. Selbst auszuprobieren was man machen kann, andere davon zu überzeugen und anzustiften mitzumachen. Die globalen ökonomischen Auswirkungen sind zunächst nicht messbar aber die Lösungen der großen Menschheitsfragen werden nicht auf globalen Wirtschaftskonferenzen gefunden. Die Lösungen liegen dort, wo sich Menschen in ganz konkreten Situationen mit ganz bestimmten Zuständen nicht mehr tatenlos abfinden möchten und beginnen etwas zu tun. Hier werden die Bedürfnisse geboren, die die Märkte der Zukunft beflügeln werden und hier werden die Ideen geboren, die die Produkte der Zukunft sein werden.

Es ist schon erstaunlich, wie ein Wirtschaftswissenschaftler so ignorant gegenüber der Triebfeder allen Wirtschaftens sein kann. Dem Bedürfnis der Menschen zur Veränderung Ihrer Situation und zur Lösung Ihrer drängendsten Probleme. Es ist dabei eine nicht widerlegbare Tatsache, dass die Wege, die zum Erreichen eines bestimmten Zieles führen hierbei nicht immer rein rational sondern oft auch sehr stark emotional geprägt sind. Hier anzuführen, es handele sich um kostspielige nutzlose Aktivitäten –sinnloses Gutmenschentum – ist schon absurd, wenn man gleichzeitig sieht wie viel Geld nur darauf wartet in sinnvolle Bahnen gelenkt zu werden und sich nur zu oft in spekulativen Blasen durch den Schornstein verabschiedet. Die Energiewende und der ökologische Umbau der Industriegesellschaft sind dringend notwendig, werden von immer mehr Menschen herbeigesehnt und werden daher auch früher oder später Realität werden. Immer mehr Menschen arbeiten an diesem großen Zukunftsprojekt und viele leben inzwischen auch davon für diese Ziele zu arbeiten, ob das nun in die gängigen marktwirtschaftlichen Pseudotheorien hinein passt oder nicht …

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