AIKO Hochleistungs Solarmodule und ihre Besonderheiten

kürzlich fragte mich ein ehemaliger Teilnehmer eines unserer “Seminare zur systematischen Fehlersuche an Photovoltaikanlagen” nach meinen Erfahrungen mit AIKO Hochleistungs Solarmodulen. Er hatte eine neue PV-Anlage mit diesen Modulen gebaut und direkt bei der Inbetriebnahme-Messung sein Benning PV-1-1 damit zerstört. Das hat meine Neugier auf diese Module geweckt. Warum man mit diesen Modulen bei der Inbetriebnahmeprüfung nach DIN EN 62446-1 ein wenig aufpassen muss ist Inhalt dieses Artikels.

AIKO-Solarmodule

Zunächst vielleicht ein paar Worte zu diesen Modulen, da die Firma AIKO erst seit relativ kurzer Zeit auf dem deutschen Markt aufgetaucht ist.  AIKO Solar, ist ein chinesisches Unternehmen, das sich auf Photovoltaiktechnologien spezialisiert hat. AIKO begann 2023 mit der Produktion und dem Vertrieb eigener Solarmodule. Die Einführung der eigenen Module, insbesondere der ABC (All Back Contact)-Module, erfolgte in Europa, einschließlich Deutschland, ab Anfang 2023. Die Bezeichnung ABC ist vom Prinzip das Gleiche wie sogenannte IBC Solarzellen (Interdigitated Back Contact). Offenbar musste man hier wegen Patentstreitigkeiten einen anderen Namen für die rückseitige Kontaktierung finden. Das Besondere bei diesen Solarzellen, die es früher nur von Sunpower und LG gab ist, das beide Kontakte, sowohl der Plus, als auch der Minuskontakt der Zellen sich auf deren Rückseite befinden. Dadurch gibt es auf der Vorderseite keine Verschattung, weder durch die Bussbars, noch durch die Gridfinger, was schließlich sehr hohe Wirkungsgrade ermöglicht.  Die von AIKO angebotenen Solarmodule erreichen eine Leistungsdichte von 245W/m², also einem Modulwirkungsgrad von 24,5%. Es sei hier erwähnt, dass dieser Artikel aus reiner Neugier an den Modulen und nicht durch ein “Sponsoring” durch den Hersteller erfolgt ist. Wir bekommen für diesen Blog hier zwar öfter mal solche Angebote, lehnen das jedoch aus Prinzip ab.

Was ist eine Sperrschichtkapazität ?

Eine andere Besonderheit dieser Module ist offenbar eine ausgeprägt große Sperrschichtkapazität am PN-Übergang dieser Solarzellen. Jeder PN-Übergang einer Diode hat immer auch parallel eine parasitäre Kapazität, also Ladungsträger, die zunächst aus dem Kristall ausgeräumt werden müssen, bevor die Diode dann Ihre volle Sperrspannung aufnehmen kann. Die Sperrschichtkapazität entsteht durch die Ladungstrennung in der Sperrschicht eines PN-Übergangs. In der Sperrschicht bilden sich auf der p-Seite negative Ladungen und auf der n-Seite positive Ladungen , die wie die Platten eines Kondensators wirken. Die Sperrschicht selbst ist eine isolierende Region ohne freie Ladungsträger, die als Dielektrikum fungiert. Da Solarzellen im Dunkeln auch nichts anderes als Dioden sind, haben auch diese eine Sperrschichtkapazität, die je nach Zellkonzept unterschiedlich ausfallen kann. Schließt man Solarzellen tagsüber kurz, müssen diese parasitären Sperrschichtkapazitäten zunächst entladen werden, bevor schließlich der eigentliche Kurzschlussdauerstrom fließt.

Bei den Erstinbetriebnahmeprüfungen werden Modulstränge kurzgeschlossen

Bei den Inbetriebnahme-Messungen nach DIN EN62446-1 (VDE 0126-23-1) wird bekanntlich gefordert, dass von jedem Modulstrang die Leerlaufspannung, der Kurzschlussstrom, sowie der Isolationswert gemessen werden soll. Diese Messungen werden hier in Deutschland sehr oft mit dem Messgerät vom Typ Benning PV-1-1 durchgeführt, da dieses Messgerät alle Messungen in einem Messvorgang erledigt. Bei der Messung wird zunächst die Leerlaufspannung gemessen und auf die korrekte Polarität geprüft. Dann schließt das Gerät den Modulstrang kurz und anschließend wird der Kurzschlusspunkt auf eine Prüfspannung von z.B. -1000V gegen Erde gelegt. Die Prüfspannung liegt für einen Zeitraum von 800ms am zu prüfenden Modulstrang an. Während dieser Zeit wird dann nach dem ohmschen Gesetz der Isolationswiderstand ermittelt (R=U/I).  Nach erfolgter Messung wird die Prüfspannung wieder weggenommen, der Kurzschluss über dem Strang wird wieder geöffnet und der nächste Strang kann gemessen werden.

Das Bild zeigt das Oszillogramm eines vollständigen Messzyklus des Benning PV-1-1.
Das Bild zeigt das Oszillogramm eines vollständigen Messzyklus des Benning PV-1-1.

Man sollte vermuten, dass beim Kurzschließen eines Solarmoduls einfach dessen Kurzschlussstrom fließt. Wenn das Modul zum Beispiel einen Kurzschlussstrom (Isc) von 13,72 A hat, sollte man annehmen, dass das Benning PV-1-1, das einen maximalen Strom von 15 A  vertragen kann, für eine Messung an PV-Anlagen mit diesen Modulen bestens geeignet ist. Misst man jedoch eine Anlage mit diesen AIKO Modulen an einem schönen Sonnentag, kann es einem blühen, dass sich das Benning mit der Meldung “FUSE” verabschiedet. Wenn man keine Ersatzsicherung für das Benning Messgerät dabei hat, ist die Inbetriebnahme-Messung damit beendet und es wird ein weiterer Ortstermin fällig.

Die technischen Daten der AIKO Solarmodule und des Benning PV-1-1 lassen darauf schließen, dass man diese Module mit dem Messgerät messen kann.
Die technischen Daten der AIKO Solarmodule und des Benning PV-1-1 lassen darauf schließen, dass man diese Module mit dem Messgerät messen kann.

 

Das Bild zeigt ein Messgerät vom Typ Benning PV1-1 bei dem die Sicherung ausgelöst hat.
Das Bild zeigt ein Messgerät vom Typ Benning PV1-1 bei dem die Sicherung ausgelöst hat.

Messung der Kurzschlussströme

Da mir bereits von den älteren Anlagen mit Sunpowermodulen ähnliche Probleme bekannt waren, habe ich mir zur Aufklärung  mal ein Mustermodul von AIKO besorgt und eine Vergleichsmessung der Kurzschlussströme verschiedener Solarmodule durchgeführt. Der erste Prüfling war ein älteres Trinamodul vom Typ TSM-255PC05A mit einer Leistung von 255 Wp. Das Modul hat noch die alte Architektur mit 60 Stck. 6″ Zellen. Der zweite Prüfling war ein Modul von Talesun vom Typ TLP6L60M-375, das bereits mit modernen Halbzellen und einer Butterfly-Architektur aufgebaut ist und der dritte Prüfling war das besagte AIKO Modul vom Typ A450-MAH54Mb , das bei der Inbetriebnahme das Benning-Messgerät überfordert hatte.

Das Bild zeigt die 3 Module, deren Kurzschlussströme gemessen wurden.
Das Bild zeigt die 3 Module, deren Kurzschlussströme gemessen wurden (von links nach rechts: Talesun, AIKO, Trina).

 

Mit einem DC Switch wurde das Modul kurzgeschlossen und der Kurzschlussstrom wurde mit Hilfe eines Oszilloskops zeitlich aufgelöst gemessen.
Mit einem DC Switch wurde das Modul kurzgeschlossen und der Kurzschlussstrom wurde mit Hilfe eines Oszilloskops zeitlich aufgelöst gemessen.

Um genau zu sehen, was beim Kurzschließen der Solarmodule passiert, genügt es nicht, einfach nur den Kurzschlussstrom mit einer Stromzange zu messen. Das Entladen der parasitären Sperrschichtkapazität der Solarzellen liefert eine sehr kurze Stromspitze, die nur mit einem Oszilloskop ausreichend genau gemessen werden kann.  Nach dem Abklingen dieser Stromspitze fließt dann der ganz normale Kurzschlussstrom des jeweiligen Moduls, den man sich aus den Angaben auf dem Datenblatt unter Berücksichtigung der Einstrahlung und der Temperatur ausrechnen könnte. Die nachfolgend dokumentierten Messungen wurden an einem schönen Sonnentag bei einer Einstrahlung von ca. 800W/m² gemacht.

Das Bild zeigt die sehr unterschiedlich ausgeprägten Stromspitzen, die beim Kurzschließen der 3 Solarmodule gemessen werden konnten.
Das Bild zeigt die sehr unterschiedlich ausgeprägten Stromspitzen, die beim Kurzschließen der 3 Solarmodule gemessen werden konnten.

Bemerkenswert ist, dass bei dem AIKO Modul eine Stromspitze gemessen wurde, die bei einem Kurzschlusstrom von 11,4A auf bis zu 30A hoch ging. Dass heißt, das Messgerät musste kurzzeitig den 2,6 fachen Kurzschlussstrom aushalten, den das Modul anschließend als Dauerkurzschlussstrom geliefert hat. Zum Vergleich lag dieser Strompeak bei dem Talesun-Modul ebenfalls beim Faktor 2,65 über dem Dauerkurzschlussstrom, der Peak war beim Talesun-Modul aber nur 63µS lang, während er beim AIKO Modul satte 710µS gedauert hat, also um den Faktor 11 länger war. Am harmlosesten für das Messgerät war die kleine Stromspitze bei dem älteren Trina Modul mit dem 2 fachen Strompeak gegenüber dem Dauerkurzschlussstrom und einer Dauer der Stromspitze von nur 31µS.  Aus diesen 3 Messungen kann man sehr schön erkennen, dass die modernen Hochleistungsmodule mitunter vollkommen neue Herausforderungen an die Messgeräte stellen, die noch vor ein paar Jahren nicht vorhanden waren. Bei gutem Wetter scheinen die auftretenden Stromspitzen auszureichen, die Messgeräte zu überfordern.

Fazit

Für die modernen Hochleistungsmodule von AIKO kann das klassische Benning 1-1 zur Inbetriebnahme nicht uneingeschränkt genutzt werden. Der Hersteller Benning hat das offenbar mittlerweile auch bemerkt und ein entsprechend angepasstes Gerät mit der Bezeichnung BENNING PV 1-1+ auf den Markt gebracht. Ich hoffe mal, dass möglichst viele Installateure diesen Artikel rechtzeitig lesen oder mal eines unserer Seminare besuchen, um ihr altes Benning nicht vorzeitig in die ewigen Jagdgründe zu verabschieden ;-). Ich wünsche der PV-Gemeinde einen sonnenreichen Wonnemonat Mai.

Danke

Mein Dank gilt Werner Schnelle für das Überlassen des AIKO Solarmoduls.

Kommentare

  1. Hallo zusammen, danke für den interessanten Beitrag, ich denke dass viele Installateure von dem Problem betroffen sind. Bei einer Inbetriebnahmeprüfung für einen Kollegen, musste ich selbst die Erfahrung machen, und habe mein fast neues Benning PV2 beschädigt. Es handelte sich hierbei auch um AIKO Module. Der Test wurde mit der Fehlermeldung HiCU abgebrochen, als ich die Messung wiederholt habe, war mit der Meldung ER9 definitiv Schluss. Das Gerät ging dann zurück zum Hersteller, und ich habe daraufhin ein neues Gerät erhalten. Rechnung kam noch keine, mal schauen ob das Gerät auf Garantie ersetzt wurde.

    Das Problem ist Benning tatsächlich bekannt, mir wurde ebenfalls mitgeteilt, dass im Moment ausschließlich das neue Modell PV1-1+ in der Lage ist, mit den hohen Stromspitzen beim Isc Test umzugehen.

    Ihr Test hat gezeigt, dass nicht nur AIKO Module betroffen sind. Lassen sich moderne Hochleistungsmodule (Trina, Solarwatt etc.) mit dem Benning PV1-1 oder PV2 überhaupt noch testen? Oder betrifft das Problem im wesentlichen ABC-Module? Vielleicht kann jemand seine Erfahrungen dazu mitteilen. Ich mache öfters Inbetriebnahmeprüfungen für Kollegen, und muss mir wahrscheinlich noch ein PV1-1+ zulegen.

  2. Hallo zusammen

    Sehr spannender Beitrag. Bei uns sind so bereits zwei Benning 1-1 beschädigt worden. Bei uns waren es jedoch keine AIKO Module, sondern Jinko Tiger Neo Black JKM440N-54HL4R-B.
    Mit dem Bennig 1-1+ ist man zwar vor Beschädigungen geschützt, aber messen kann man Sie nach unserer Erfahrung nicht, da sich die Module bei Sonnenschein zu schnell wieder aufladen. Für solche Anlagen haben wir nun ein HT PV CHECK’s PRO, welches höher Ströme ab kann.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte geben Sie folgende Zeichen ein: *