Interpretation von Thermografie-Aufnahmen von Photovoltaikanlagen – Grundlagen

Die wesentliche Fähigkeit die man benötigt, um die Thermografie von Photovoltaikanlagen in nutzbringende Ergebnisse zu verwandeln, ist die korrekte Interpretation der gewonnenen Aufnahmen. Dazu bedarf es einiger Grundkenntnisse zur Architektur von Solarmodulen und darüber, wie sich die Module in verschiedenen Betriebszuständen verhalten. Die regelmäßigen Leser dieses Blogs wissen, dass die Vermittlung dieser Fähigkeiten ein wesentlicher Bestandteil unserer “Seminare zur systematischen Fehlersuche an Photovoltaikanlagen” sind. In diesem Artikel möchte ich nochmal auf das Wechselspiel zwischen den einzelnen Zellen in einem Solarmodul eingehen, um die Temperaturunterschiede einzelner Zellen besser zu verstehen.   

Kochrezepte oder echtes Verständnis ?

Der folgende Artikel richtet sich vor allem an Leser, die sich bei der Fehlersuche an PV-Anlagen nicht mit einfachen Kochrezepten zufrieden geben möchten. Was verstehe ich unter “einfachen Kochrezepten” ?
Nun, man kann sich die typischen Fehlerbilder, die man in Thermografieaufnahmen antrifft, merken und dem jeweiligen Fehler zuordnen, ohne wirklich verstanden zu haben, warum das jeweilige Bild genau so aussieht, wie es aussieht. Solche banalen Zuordnungen helfen zwar immer dann weiter, wenn man auf bekannte Fehler trifft, für die es bereits eine einfache Erklärung gibt. Immer wenn ein neuer Fehler auftaucht, helfen solche Kochrezepte aber nicht mehr weiter und es macht Sinn, die Grundlagen gut zu verstehen und sich an eine eigene Interpretation heranzuwagen. Davon abgesehen, liegt es auf der Hand, dass die typischen, bekannten Fehlerbilder früher oder später von einer gut trainierten KI erkannt und benannt werden. Auswendig lernen wird daher in Zukunft nicht mehr notwendig sein und “Auswendiglerner” werden immer weniger gebraucht werden.

Soviel der Vorrede.  Beginnen wir mit der typischen Architektur eines modernen Solarmoduls (Stand 2025). in den Modulen sind in aller Regel jeweils 60 Halbzellen in Reihe geschaltet. Die Module teilen sich in sechs Substrings auf, von denen jeweils 2 Substrings parallel geschaltet und mit einer Bypassdiode versehen sind. Es handelt sich also um ein komplexes Diodennetzwerk, das es zu verstehen gilt. Um Dinge verständlich zu machen – und das gilt im Prinzip für alles was mit Technik und Naturwissenschaften zu tun hat – machen wir uns zunächst ein vereinfachtes Modell, um zunächst die Grundprinzipien zu verstehen. Dann erweitern wir das Modell und am Ende verstehen wir dann (hoffentlich) auch die komplexen Zusammenhänge im kompletten Solarmodul.

Das Bild zeigt die Architektur eines modernen Solarmoduls mit 120 kristallinen Halbzellen.
Das Bild zeigt die Architektur eines modernen Solarmoduls mit 120 kristallinen Halbzellen.

Einfache Modelle helfen komplizierte Sachverhalte zu verstehen

Das einfachste Model stellt eine Solarzelle dar, die mit einem Ohmschen Widerstand belastet wird. Das bedeutet, ich nehme eine Solarzelle und schalte einen veränderlichen Widerstand parallel zu dieser Zelle. Die erste Frage, die man sich beantworten muss, ist die nach dem Arbeitspunkt, also dem Strom und der Spannung an der Solarzelle, der sich dabei einstellt. Dieses Paar aus Strom und Spannung bezeichnet man als “Arbeitspunkt” und da die Kennlinien von Solarzellen sehr komplex sind und sich nur schwierig mathematisch darstellen lassen, ermitteln Techniker diesen Arbeitspunkt oft grafisch. Das macht man ganz einfach dadurch, dass man beide Kennlinien, die der Solarzelle und die des Widerstandes in das gleiche UI-Diagramm einzeichnet. Beide Bauelemente sind parallel geschaltet, daher fällt an beiden Bauelementen die gleiche Spannung ab. Außerdem ist der Strom, den die Solarzelle liefert, gleichzeitig der Strom, der den Widerstand durchfließt. Ein Ohmscher Widerstand ist dadurch gekennzeichnet, dass die Spannung und der Strom am Widerstand proportional zueinander sind und demzufolge ist die “Kennlinie” des Widerstandes eine einfache Gerade. Die Steigung dieser Geraden entspricht dem Kehrwert des Ohmschen Widerstandes oder anders ausgedrückt: Je steiler die Gerade ansteigt, desto kleiner ist der Ohmsche Widerstand.

Das Schaltbild zeigt eine Solarzelle, die durch einen ohmschen Widerstand belastet wird.
Das Schaltbild zeigt eine Solarzelle, die durch einen ohmschen Widerstand belastet wird.
Solarzelle, die durch einen etwas größeren Widerstand belastet wird.
Solarzelle, die durch einen etwas kleineren Widerstand belastet wird.

Es gibt keine “exakt” gleichen Solarzellen

Soweit so einfach. Nun ersetzen wir den Ohmschen Widerstand durch eine zweite, identische Solarzelle. Im Ergebnis erhalten wir zwei exakt gleiche Solarzellen, die in Reihe geschaltet sind. Auch jetzt gilt wieder, dass die Spannung an beiden Zellen exakt gleich sein muss und dass beide Zellen den exakt gleichen Strom liefern müssen. Der Arbeitspunkt, der sich dabei einstellt, ist bei bei den Solarzellen der Kurzschlusspunkt. Bei beiden Zellen ist die Spannung daher exakt 0V und der Strom ist exakt Isc, also der Kurzschlussstrom.  Dieser Strom ist natürlich abhängig von der Einstrahlung auf beide Zellen. Im Modell setzen wir voraus, dass die Einstrahlung auf beide Zellen exakt gleich ist.

Das Bild zeigt zwei in Reihe geschaltete Solarzellen, die den exakt gleichen Kurzschlussstrom haben (das gibt es in der Realität nicht)
Das Bild zeigt zwei in Reihe geschaltete Solarzellen, die den exakt gleichen Kurzschlussstrom haben (das gibt es in der Realität nicht)

Während man das erste Experiment mit der Solarzelle und dem Widerstand im Labor jederzeit mal aufbauen und nachspielen kann, wird man bei dem zweiten Aufbau, mit den beiden Solarzellen feststellen, dass der Arbeitspunkt (U= 0V und I = Isc) sich niemals exakt einstellen wird. Warum das so ist, kann man sich recht einfach überlegen. Es ist in der realen Welt niemals möglich, zwei Solarzellen zu finden, die den “exakt” gleichen  Kurzschlussstrom haben. In der realen Welt werden die Zellen immer einen leicht differierenden Kurzschlussstrom haben und wenn er sich auch nur um wenige mA unterscheidet. Bauen wir diesen Versuch also mal im Labor auf, so stellen wir fest, dass sich immer eine Spannung bildet, die von 0V verschieden ist und dass ein Strom zu fließen beginnt, der nicht “exakt” dem Kurzschlussstrom einer der beiden Zellen entspricht. Im Bild unten habe ich die etwas “schlechtere” Zelle durch eine kleine Verschattung markiert.

Das Bild zeigt eine Solarzelle, die als "Erzeuger" und eine Solarzelle die als "Verbraucher" arbeitet.
Das Bild zeigt eine Solarzelle, die als “Erzeuger” und eine Solarzelle die als “Verbraucher” arbeitet.

Schaut man sich nun im Bild oben die Stromrichtung in Bezug auf die Richtung der Spannungen an der jeweiligen Solarzelle an, so stellt man fest, dass man bei der unverschatteten Zelle einen positiven Strom mit einer positiven Spannung multiplizieren kann. Diese Zelle liefert demnach eine elektrische Leistung, während bei der teilverschatteten Zelle ein positiver Strom mit einer negativen Spannung multipliziert werden muss. Die Zelle wird daher zum Verbraucher. Wer sich an dieser Stelle fragt, warum die Spannung plötzlich an der rechten Zelle negativ sein soll, der möge sich einfach den Spannungspfeil an der Solarzelle in Bezug auf deren Plus bzw. Minuspol ansehen. Wenn man im Labor diese beiden Zellen nun mit einer Thermografiekamera anschaut, so wird man immer einen Temperaturunterschied feststellen können. Die erzeugende Zelle wird ein klein wenig abgekühlt und die verbrauchende Zelle wird erwärmt. Wir bekommen also bei diesen beiden Zellen immer einen Temperaturunterschied zu sehen, das berühmte Patternmuster, von dem hier im Blog schon so oft die Rede war.

Grundlagenwissen für die Praxis der Fehlersuche nutzbar machen

Jetzt stellt man sich natürlich sofort die Frage, was dieses kleine Laborexperiment mit der wirklichen Welt der Solarmodule zu tun hat und wie man die hier gewonnene Erkenntnis in der Fehlersuche nutzbar machen kann?
Nun, in einem Solarmodul sind in der Regel 60 Solarzellen in Reihe geschaltet. 20 in Reihe geschaltete Zellen befinden sich dabei in einem Substring. Wenn nun eine Bypassdiode, zum Beispiel durch einen Überspannungsschaden kurzgeschlossen ist, dann haben wir in diesem Fehlerfall eine Kette von 20 Solarzellen, die kurzgeschlossen sind. Für mein Modell war es mir schlicht zu viel Arbeit, 20 Zellen zu zeichnen und deren jeweilige Spannung zu ermitteln. Kennt man die Kennlinie jeder einzelnen Zelle und sehen alle Zellen die gleiche Einstrahlung, so müsste man den Strom durch die Zellen so lange variieren, bis die Summe aller Spannungen = 0V ergibt. Die Kirschhoffsche Maschenregel lässt grüßen. Das Grundprinzip lässt sich allerdings auch dann verstehen, wenn man nur zwei Zellen in Reihe schaltet. Letztendlich gilt auch für die Reihenschaltung von 20 Solarzellen immer die Regel, dass nie alle Zellen exakt im Kurzschluss sind. Es gibt immer bessere und schlechtere Zellen und es entsteht immer das berühmte Patternmuster. Schlechter heißt in diesem Fall übrigens nicht unbedingt, dass die Zelle selbst einen niedrigeren Kurzschlussstrom haben muss. Es kann auch bedeuten, dass die Zelle an der sich die Spannung umkehrt, die am meisten verschmutzte oder verschattete Zelle im jeweiligen Substring ist.

Das Bild zeigt das Thermogramm eines Solarmoduls, bei dem alle 3 Substrings das Patternmuster zeigen.
Das Bild zeigt das Thermogramm eines Solarmoduls, bei dem alle 3 Substrings das Patternmuster zeigen.

Es gibt 2 mögliche Ursachen für das Patternmuster

Als Ergebnis für die Fehlersuche mit Hilfe der Thermografiemethode kann man daher festhalten, dass ein Substring, bei dem die Summe aller Zellspannungen = 0V ist, immer das typische Patternmuster mit wärmeren und kälteren Solarzellen zeigt. Warum habe ich das jetzt so umständlich formuliert und nicht einfach geschrieben: “Bei einer defekten, kurzgeschlossenen Bypassdiode sieht man immer das typische Patternmuster” ? Die Antwortet lautet: Ja, bei einer defekten Bypassdiode sieht man dieses Muster, man sieht es aber auch dann, wenn die Summe aller Zellspannungen nicht 0V sondern 0,4V ist. Das kommt immer dann vor, wenn in einem Substring die Bypassdiode aktiv ist, wenn also der Wechselrichter durch sein MPP-Tracking dafür gesorgt hat, dass die Bypassdiode leitend wird, so sieht das Patternmuster im Substring exakt genauso aus. Wer das hier zum ersten Mal liest, möge bitte kurz inne halten und sich das zuletzt Gesagte nochmal auf der Zunge zergehen lassen…. Das Thermografiebild eines Substrings mit kurzgeschlossener Bypassdiode sieht exakt gleich aus, wie das Thermografiebild einer aktiven Bypassdiode. Als “Fehlersucher” interessiert uns natürlich nur die kurzgeschlossene Bypassdiode und nicht eine durch das MPP Tracking des Wechselrichters aktivierte Bypassdiode. Es stellt sich die große Preisfrage, wie man den einen Fall vom Anderen unterscheiden kann ? Die Frage möchte ich an dieser Stelle mal offen lassen, da ich ja schon am Anfang des Artikels geschrieben habe, dass “selbst Mitdenken” eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Fehlersuche ist. Schreiben sie es einfach mal in die Kommentare unter diesem Artikel. Dabei bitte immer dran denken, falsche Antworten sind nicht schlimm. Wer keine Fehler macht, lernt auch nichts dazu.

Die Auflösung schreibe ich dann irgendwann mal ebenfalls in die Kommentare. Wer es eiliger hat, sei herzlich zu einem unserer nächsten Webinare zur Thermografie eingeladen. Dort wird das Thema ausführlich behandelt 😉

Wer darüber hinaus Interesse hat, tiefergehende, praxisnahe Informationen rund um die Fehlersuche an Photovoltaikanlagen zu bekommen, ist ebenfalls herzlich auch zu unseren anderen Webinaren  (auch als Videoaufzeichnung erwerbbar für diejenigen, die am webinar-Tag selbst verhindert sind). Von Grundlagen über Inbetriebnahmeprüfungen, Vordiagnosen anhand von Monitoring-Portalen, Betriebsführung, Auffinden von Isolationsfehlern oder Rückstromanalysen, Dunkelkennlinien und Elektrolumineszenzuntersuchungen versuchen wir Ihnen möglichst viele Informationen an die Hand zu geben, die Ihnen als Servicetechniker die tägliche Arbeit erleichtert. Unser Motto lautet:

“mit möglichst geringem zeitlichen und organisatorischen Aufwand ein Maximum an Problemursachen in PV Anlagen finden”

Durch die Informationen, die wir Installateuren und Servicetechnikern an die Hand geben, möchten wir unter anderem auch dafür sorgen, dass von vorne herein Installationsfehler vermieden werden, die Qualität von PV-Installationen kontinuierlich steigt und ein gutes Image der Photovoltaik erhalten bleibt.

Kommentare

  1. Vielen Dank für die interessanten und Praxisnahen Themen!
    Nach dem Besuch einer Schulung bei der DGS gemeinsam mit Herrn Diehl bin ich nun auch dabei mich mit dem Thema Thermografie als Fehlersuche auseinander zu setzten. Interessant hierzu wäre noch eine Beurteilung einer Rückstromthermografie, da hier meine derzeitige Erfahrung zeigt, dass sich die Thermografiebilder und deren Interpretation doch etwas unterscheiden.

    Zur Antwort:
    Ich hoffe mal, dass ich nicht falsch liege, ich würde behaupten, dass der Fehler bei einem Leerlauf der Anlage zeigen müsste. Verschwinden die Hotspots nach dem Ausschalten des DC-Hauptschalters (und gemessenen 0A am Strang) sollte die Bypassdiode in Ordnung sein. Bleibt der Fehler bestehen ist die Bypassdiode kurz geschlossen.

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