Wie schnell die Zeit vergeht. Heute, am 9. November jährt es sich zum 18. mal, dass unsere erste kleine, aber feine Photovoltaikanlage ans Netz ging. Es war am 9.11.1993 und es war gleichzeitig das Inbetriebnahmedatum der ersten Photovoltaikanlage in der Opelstadt Rüsselsheim. Die Anlage hat gerade mal eine Leistung von 1,59 kWp und besteht aus 30 Solarmodulen vom Typ Siemens M53. Ein schöner Anlass, wie ich finde, mal einen kleinen Artikel über unsere “Kleine” zu veröffentlichen.
Damals 1993 war die Photovoltaik noch alles andere als eine etablierte Technik. Als Student der Elektrotechnik an der Fachhochschule Rüsselsheim, hatte ich mich schon während meines Studiums mit der Nutzung Erneuerbarer Energien beschäftigt. Als Elektrotechniker kommt man dabei natürlich früher oder später zur Photovoltaik.
Insbesondere dann, wenn man in einer Region lebt, die aus Gründen einer zu geringen Windgeschwindigkeit nicht die erste Geige bei der Windenergie spielen kann. Nichtsdestotrotz hatte ich auch auf diesem Gebiet einige Erfahrungen gesammelt und zum Beispiel für das Projekt Windenergie von Professor Winfried Schatter an der FH Wiesbaden einen Wechselrichter gebaut. Das Gerät sorgte damals dafür, dass die Windenergie der Forschungsrotoren auf einem Acker bei Astheim ins Netz eingespeist werden konnte. Die größte Faszination übte allerdings eindeutig die Photovoltaik auf mich aus. Einfach aus Licht elektrische Energie gewinnen, ohne Abgase und ohne Umweltverschmutzung und Lärm. Schon während meines Studiums hatte ich daher ein Praktikum bei der Fa IBC gemacht, damals noch ein überschaubares Unternehmen mit Unternehmensgründer Udo Möhrstedt und 4 Mitarbeitern. Im Anschluss folgte eine Diplomarbeit mit dem Titel “Entwicklung eines trafolosen Wechselrichters zur Netzeinspeisung photovoltaisch gewonnener Sonnenenergie”. All die so gesammelten Kenntnisse mussten natürlich nach dem Studium unbedingt in einem eigenen Projekt erprobt werden. Und so geschah es dann auch. Nachdem die Familie überzeugt war, dass die Photovoltaik schon eine einsatzreife Technik war, begann die Planung der ersten Anlage auf dem elterlichen Wohnhaus in Rüsselsheim. Gleichzeitig sollte dies auch der Start sein für das erste eigene Ingenieurbüro. Das Ingenieurbüro für neue Energiekonzepte – kurz inek. Eine Einspeisevergütung gab es damals noch nicht. Durch das Stromeinspeisegesetz war lediglich sichergestellt, dass der Netzbetreiber zur Abnahme überschüssigen Stromes verpflichtet war. Dieser wurde damals mit 17Pfg./kWh vergütet. Die Anlage wurde daher so ausgelegt, dass der Strom zunächst ins Hausnetz eingespeist wurde und nur der Überschuss ins Netz des Überlandwerk Groß Gerau floss. Genauso wie man es heute bei der Anwendung der Eigenverbrauchsregelung macht. Außerdem gab es damals ein hessisches Landesförderprogramm für Photovoltaikanlagen, im Rahmen dessen man einen Investitionszuschuss für Solarstromanlagen beantragen konnte. Das 1000 Dächerprogramm des Bundes war zu diesem Zeitpunkt bereits ausgelaufen. Die mit der Förderung verbundene Bürokratie war ungleich höher als alles, was man heute unternehmen muss, um in den Genuss der EEG Förderung zu gelangen. Der Antrag musste beim hessischen Umweltministerium gestellt werden. Anschließend erfolgte eine Überprüfung der Dachfläche durch die TÜH (Technische Überwachung Hessen) in Darmstadt. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass nur optimal ausgerichtete und unverschattete Photovoltaikanlagen gefördert würden.
Nachdem die bürokratischen Hürden gemeistert waren, begann schließlich – der für mich weitaus interessantere – Teil der technischen Planung. Fest stand, dass die Idee der trafolosen Netzeinspeisung, die Bestandteil meiner Diplomarbeit war, unbedingt umgesetzt werden sollte. Das war damals keineswegs selbstverständlich, denn es galt die Devise: Jede Gleichspannung, die größer als 120V ist, also größer als die sogenannte Schutzkleinspannung, sollte aus Sicherheitsgründen unbedingt vermieden werden.
Durch meine Diplomarbeit zu diesem Thema war mir bereits klar, dass die Photovoltaik nur dann irgendwann einmal einen Beitrag zur Energieversorgung würde leisten können, wenn man die Spannung der Systeme deutlich erhöhte. Nur durch höhere Systemspannungen kann man mit wenig Strom und somit wenig Verlusten die Energie übertragen und nur mit langen Modulsträngen und den damit verbundenen hohen Systemspannungen kann man die Systemtechnik so vereinfachen, dass auch später einmal große Solarkraftwerke gebaut werden könnten. Mit der Schutzkleinspannung würde man über das “Schrebergartenniveau” nicht hinauskommen. Schließlich hatte man auch in der konventionellen Versorgung irgendwann die “lebensgefährliche” Spannung von 220 V eingeführt, um die Systemtechnik deutlich zu vereinfachen. Außerdem bot die hohe Spannung natürlich auch die Möglichkeit auf den Transformator zu verzichten, da die Module bereits eine ausreichend hohe Systemspannung lieferten: der Schlüssel zu maximalen Wirkungsgraden.
Da es trafolose Wechselrichter schlicht am Markt noch nicht gab, beschloss ich das gesammelte Know-How – das ich unter anderem auch durch eine Tätigkeit beim Wechselrichterhersteller Sunpower (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Modulhersteller) gesammelt hatte – aufzubieten und den Wechselrichter für die erste eigene Anlage selbst zu bauen. Mit ein wenig Überredungskunst gelang es mir, sogar den örtlichen Stromnetzbetreiber dazu zu bringen, mir dazu die Freigabe zu erteilen, wenngleich ich heute zugeben muss, mit dem Gerät in nicht unerheblichem Maße den Mittelwellenempfang in unmittelbarer Umgebung der Anlage gestört zu haben. Elektromagnetische Verträglichkeit war damals noch nicht so ein heißes Thema wie heute und die Nachbarn hörten offenbar alle Radio auf UKW und nicht Mittelwelle :-).
Für technisch Interessierte: Es handelte sich bei dem Wechselrichter um eine vollgesteuerte B2 Brückenschaltung, aufgebaut mit den damals noch recht neuen IGBT-Halbbrückenmodulen von Semikron. Die Stromregelung war mit einem analogen Zweipunktregler aufgebaut (der zwar zu einem recht guten Wirkungsgrad verhalf, leider aber auch als Rundfunksender diente 😉 ). Die überlagerte Spannungsregelung war ebenfalls analog aufgebaut. Lediglich der MPP Regler und die Zu- und Abschaltlogik war mit einem Mikrocontroller realisiert, der in Assembler programmiert wurde. Das Gerät regelte auf eine feste Spannung und suchte alle 3 Minuten einmal die gesamte Kennlinie nach dem MPP ab. Das Ganze lief sehr flott ab (max 2 s), so dass beim Messvorgang kaum Energie verloren ging. Renommierte Wechselrichterhersteller nennen so etwas Ähnliches heute “Global Peak Tracking” und verkaufen es als neueste Innovation 😉 …
Bei den Solarmodulen fiel die Wahl auf Module vom Typ Siemens M53. Das waren monokristalline Module mit 36 4” Zellen (3 Stringreihen a 12 Zellen). Eine Modulbauform, die es bereits lange nicht mehr gibt. Das Einbettungsverfahren in EVA Folie und eine dampfdiffusionsdichte Rückseitenfolie gab es damals allerdings auch schon. Siemens hatte kurz zuvor den US-amerikanischen Modulhersteller Arco Solar aufgekauft. Hier schien wirklich gutes Know-How vorhanden zu sein, was den Bau langlebiger Module betraf. Auch bei den Unterkonstruktionen konnte man nicht wie heute auf eine lange Liste von Herstellern zurückgreifen. Die Wahl fiel schließlich auf den sogenannten “Solarziegel” der Fa. Klöber und eine selbst gestrickte Unterkonstruktion, die wir bei einem nahegelegenen Metallbauer anfertigen ließen.
Um den trafolosen Wechselrichter einsetzen zu können, wurden 30 dieser Module in Reihe geschaltet und damit eine Leistung von immerhin 1,59 kWp, bei einer Leerlaufspannung von über 600V erreicht. Um auch die Technische Überwachung Hessen zufrieden zu stellen (die auch mit der Abnahme der Anlage betraut war) wurde das Dachfenster mit einem Warnschild versehen, das darauf hinwies, dass man sich beim Hinausklettern in einen elektrischen Betriebsraum begab. Die Montage der Anlage hat uns – mit allem Drum und Dran – zugegebenerweise auch durch unsere Detailverliebtheit und Vorliebe für technische Spielereien damals sage und schreibe 2 Wochen gekostet…
Heute, 18 Jahre später läuft unsere “Kleine” immer noch. Der Wechselrichter wurde inzwischen durch einen Kaco Blue Planet ersetzt, der etwas weniger abstrahlt und auch einen etwas besseren Wirkungsgrad hat. Auch die Modulanordnung wurde noch einmal leicht verändert, da die Anlage zum Zwecke einer Dachsanierung ohnehin kurzzeitig demontiert wurde und wir dann eine dichtere Belegung gewählt haben. Außerdem wurde die Dachgaupe, auf der die Anlage liegt, durch eine Dämmung etwas breiter. Die Energieerträge der Anlage liegen Jahr für Jahr bei etwa 830 kWh/kWp. Eine Ausnahme war der Jahundertsommer 2003, in dem die 900 kWh/kWp Marke geknackt wurde. Das ist für heutige Anlagen zwar kein Spitzenwert, es ist jedoch äußerst erfreulich, dass wir bisher noch keinerlei Leistungseinbuße feststellen konnten. Ich habe gerade in diesem Jahr wieder die Kennlinie der Anlage gemessen und eine STC Leistung von 1,56 kW festgestellt. Längere Betriebsunterbrechungen gab es in den letzten 18 Jahren keine. Das lässt hoffen, dass die Anlage, nun da sie volljährig ist, noch einige weitere Jahre für umweltfreundlichen Solarstrom sorgt. Wir freuen uns über jede Kilowattstunde.