Braucht man für eine Photovoltaikanlage eine Statik ?

Bisher habe ich mich hier im Blog in Bezug auf mechanische Aspekte der Photovoltaik stets zurück gehalten. Als Ingenieur der Elektrotechnik ist das auch nicht wirklich mein Spezialgebiet. Da aber insbesondere im Zusammenhang mit Gerichtsfällen immer wieder grundsätzliche Fragen zur Statik von Photovoltaikanlagen auftauchen möchte ich hier mal einen Überblick zu diesem Thema liefern, der sich insbesondere an Installateure und Planer wendet. Nur sehr selten findet man leider umfassende Unterlagen zur Standsicherheit einer PV-Anlage, wie sie unten beschrieben sind.

Es kommt in der Praxis recht häufig vor, dass der Standsicherheitsnachweis, der umgangssprachlich oft als “Statik” bezeichnet wird,  der Dokumentation einer errichteten Photovoltaikanlage nicht beiliegt. In der Tat fordert die DIN EN 62446, in der die Dokumentation von PV-Anlagen geregelt wird unter Abschnitt 4.6 nur lapidar, dass über die Unterkonstruktion nur ein Datenblatt vorhanden sein muss und dass es bei Sonderanfertigungen der Unterkonstruktion einer Dokumentation bedarf. Trotzdem gehört der Standsicherheitsnachweis zu jeder guten Dokumentation. Spätestens im Fall eines Schadens, wird dieser Nachweis vom Sachverständigen gefordert.

Sturmschaden an einer PV Anlage mit rahmenlosen Solarmodulen
Sturmschaden an einer PV Anlage mit rahmenlosen Solarmodulen

Welche Unterlagen müssen vorhanden sein ?
Im wesentlichen bestehen die notwendigen Statikunterlagen aus 2 Dokumenten. Zum einen muss der Hersteller einer Unterkonstruktion den Nachweis führen, dass seine eingesetzten Komponenten den am Standort der Errichtung der PV-Anlage auftretenden Wind- und Schneelasten widerstehen kann. In der Praxis läuft das in aller Regel so ab, dass der Installateur mit einer vom Hersteller der UK (Unterkonstruktion) zur Verfügung gestellten Software arbeitet. In dieser Software muss die am zukünftigen PV-Anlagenstandort gültige Wind- und Schneelastzone eingefügt werden. Die EN 1991 enthält hierzu umfassende Regeln. Auch Temperaturbedingungen am Standort können eine Rolle spielen.

Schaden durch Einwirkung von Schnee (Quelle: Dr. Cedrik Zapfe)
Schaden durch Einwirkung von Schnee (Quelle: Dr. Cedrik Zapfe)
Sturmschaden an einer PV-Anlage (Quelle: Dr. Cedrik Zapfe)

Mit diesen Informationen und der Angabe der geplanten Montagevariante (Aufdach/Schrägdach/Freifeld) liefert die Software dann die notwendigen Materialstärken und die Punkte an denen die Anlage befestigt werden muss. Die Software liefert außerdem eine Aussage darüber welche Kräfte die zukünftigen Befestigungspunkte aufnehmen müssen und liefert damit die Grundlage für das weiter unten beschriebene zweite Dokument. Der Nachweis, dass alle Komponenten der UK die am Standort auftretenden Kräfte auch aufnehmen können, muss vom Hersteller der UK geführt werden. Dabei kann er entweder auf Bauteile zurückgreifen, die eine Bauartzulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) haben oder er muss für jede seiner Komponenten eine Prüfung im Einzelfall durchführen, diese dokumentieren und dem Installateur verfügbar machen. Die erforderlichen Einzelnachweise mit speziellem Bezug auf die Photovoltaik sind in der Richtlinie VDI 6012 Blatt 1.4. zusammengestellt.

VDI 6012 Blatt 1.4
VDI 6012 Blatt 1.4

In der Praxis bekommt der Installateur also einen Plan der UK mit den notwendigen Befestigungs- oder Balastierungspunkten. In vielen Fällen werden ja PV-Anlagen auf Flachdächern lediglich auf die Dächer aufgestellt. Bei den modernen sogenannten aerodynamischen Unterkonstruktionen gibt es oft noch zusätzliche Anforderungen an die Mindestgröße von Modulfeldern, um ein Abheben der Module bei starkem Wind sicher zu verhindern.

All diese Informationen, also die Nachweise des Herstellers der UK, sowie der Anordnungs- bzw. Balastierungsplan gehören in eine gute Dokumentation. Doch damit ist das Thema noch nicht abgehakt.

Sturmschaden an einer PV-Anlage (Quelle: Dr. Cedrik Zapfe)
Sturmschaden an einer PV-Anlage (Quelle: Dr. Cedrik Zapfe)
Sturmschaden an einer PV-Anlage (Quelle: Dr. Cedrik Zapfe)
Sturmschaden an einer PV-Anlage (Quelle: Dr. Cedrik Zapfe)

In einem zweiten Schritt muss nun der Nachweis geführt werden, dass die zusätzlichen Kräfte, die eine PV-Anlage in ein Gebäude einleitet von diesem auch aufgenommen werden können, ohne dass ein Einsturz droht, bzw. ohne dass das komplette Dach beim nächsten Sturm wegfliegt. Hier muss die Statik des Gebäudes verfügbar sein und es müssen die Punkte bekannt sein, an denen die zusätzlichen Kräfte ins Gebäude eingeleitet werden, um diesen Nachweis führen zu können. Auch hier müssen natürlich die örtlichen Wind- und Schneelasten Berücksichtigung finden. Bei Freilandanlagen muss ein entsprechendes Bodengutachten erstellt werden, mit dessen Hilfe der Nachweis geführt werden kann wie viele Ramm- oder Schraubprofile wie tief verankert werden müssen, um ein Wegfliegen, bzw. Verschieben der Unterkonstruktion sicher zu verhindern.

Im Zuge der Planung einer PV-Anlage unzureichend untersuchter Baugrund. (Quelle: Dr. Cedrik Zapfe)
Im Zuge der Planung einer PV-Anlage unzureichend untersuchter Baugrund. (Quelle: Dr. Cedrik Zapfe)
Im Zuge der Planung einer PV-Anlage unzureichend untersuchte Gebäudestatik. (Quelle: Dr. Cedrik Zapfe)
Im Zuge der Planung einer PV-Anlage unzureichend untersuchte Gebäudestatik. (Quelle: Dr. Cedrik Zapfe)

Nur wenn man den oben genannten Aufwand treibt, kann man sicher sein, dass die Standsicherheit für die Anlage und für das Gebäude über die Lebenszeit der Anlage gegeben ist.

Ich möchte an dieser Stelle noch darauf hinweisen, dass wir (pvBuero) bei Fragen zur Standsicherheit von Solargeneratoren immer auf das Know How von spezialisierten Fachkollegen zurück greifen, die wir an dieser Stelle gerne weiter empfehlen möchten. Unser Schwerpunkt ist die Beantwortung von elektrotechnischen Fragen rund um die Photovoltaik.

  • Wir arbeiten oft mit Herrn Dr.-Ing. Jörg Ackermann zusammen, dessen Website hier zu finden ist.
  • Ausgewiesener Statikprofi mit Bezug auf die Photovoltaik ist Herr Dr. Cedrik Zapfe. (Ihm sind auch die meisten Bilder aus diesem Artikel zu verdanken)

Kommentare

  1. Hallo Herr Diehl,
    vielen Dank für diese Einlage.
    Sie sprechen mir gerade unheimlich aus dem Herzen. Warum?
    Ich, deutscher Auswanderer nach Norwegen, stoße an meine Grenzen, wenn es um Qualität geht.
    Hier in Norwegen werden PV Anlagen zu Preisen angeboten, welche normal im Rotlichtmiljö üblich sind.
    Man ( Norwegische Behörden sind gerade dabei, ein Regelwerk ( IEC 60364-7-712:2016 ) zu adaptieren. ( lach )
    Von der VDI 6012 Bl 1.4 will hier niemand etwas hören. Wenn man dann in bestimmten social kreisen seine Meinung kundtut, wird man als Besserwisser, Querulant oder so abgetan. Ich wünsche niemanden etwas böses, aber hoffentlich fackelt hier mal ein Haus ab oder/ und wird ein Dach undicht oder/ und reisst es eine Anlage vom Dach…
    Vielleicht wird man ( Norwegische Behörden/ Staatsanwalt ) dann einmal munter.
    Sonnige Grüße aus Norge

    Uwe Dyroff

  2. Guten Tag!
    Wie kann es angesichts der drastischen Fotografien auf Ihrer hiesigen Seite in Deutschland sein, dass man die Standsicherheit von Photovoltaik-Anlagen vernachlässigt? Wie man den Bildern entnehmen kann, führt das nicht nur zu erheblichen Kosten, sondern auch zu einer Gefährdung von Menschen, wenn ein Dach zusammensackt oder eine Anlage vom Dach fliegt. Wie wir hier bei einem anderen Kommentator lesen können, beklagt dieser die Umstände in einem anderen Land. Beide europäische Länder sollten Vorbilder sein in puncto Sicherheit.

  3. Zum Thema Standsicherheit habe ich noch eine kleine Ergänzung.

    Bei Flachdächern mit Wärmedämmung wird oftmals vergessen, dass ein weiteres Bauprodukt auch einer Überprüfung bedarf – die Wärmedämmung. Die linienförmige oder schlimmer punktuelle Einleitung der Kräfte der PV-Anlage auf die Dachhaut muss ja auch von der Wärmedämmung dauerhaft aufgenommen werden können. Bei nicht wenigen Dächern sind mineralische Wärmedämmungen verbaut die für die Begehung zur Wartung zwar geeignet sind aber bei Dauerbelastung etwas nachgeben.(Man kennt das wenn man schon mal auf einem deratigen Dach war die Folie etwas schwammig nachgibt.) Das Nachgeben ist erstmal scheinbar weniger schlimm. In Folge der dauerhaften und punktuellen bzw. linienförmingen Absenkung am Ort der Krafteileitung (Auflagepunkt der Unterkonstruktion) kann es aber zu Rissen und Undichtigkeiten der Folie kommen. Das „Schlamassel“ eines undichten Daches und der Schuldzuweisung nimmt seinen Lauf….
    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die notwendige dauerhafte hohe Druckbeständigkeit von geschäumten Wärmedämmungen wie Styropr o. Ä. in den meisten Fällen vom Hersteller bestätigt werden kann. Hier sei auf die Norm DIN EN 13163 für expandiertes Polystyraol (EPS) verwiesen. Hieraus geht hervor, dass bei 2% zulässiger Materialstauchung in den meisten Fällen die dauerhafte Druckbeanspruchung durch die PV-Anlage gegen sein dürfte.

    Die von Ihnen angesprochene Problematik der Bauartzulassung ist in der Tat ein Problem mit dem ich auch hin und wieder zu tun habe. Bis auf wenige Ausnahmen ist mir keine Unterkonstruktion bekannt für die es eine komplette und gültige Bauaufsichtliche Zulassung gibt. Einige UK Hersteller geben an, nur für bestimmte Teile wie Schrauben oder eine bestimmten Klemmverbindung des Systems eine Zulassung vorlegen zu können. Das hilft dann nur bedingt weiter, da ja eigentlich die Zulassung für alle Bauprodukte im Systemverbund vorliegen sollten. Bei fast allen Teilen der Unterkonstruktion handelt es sich ja um ungeregelte Bauprodukte, wo jeder Hersteller meint es richtig gemacht zu haben. Eine “Zulassung im Einzelfall” zu erbringen ist leider sehr aufwändig. Der Prozess kann Monate dauern und zudem auch ordentlich Geld kosten. Ein Vorgang der meiner Kenntnis nach in der Praxis eher selten beschritten wird.

    Holger Wagner

  4. Ein Aspekt wird viel zu wenig bedacht: schon beim Hausbau wird die Statik aus Kostengründen bis aufs Letzte ausgereizt. Etwas mehr Sicherheit gibt es nicht, ich habe schon gesehen, dass in der Sicherheitsprüfung (geforderter Wert <= 1) ein errechneter Wert von 1,05 noch akzeptiert wurde. Dickere Balken kosten ja Geld. Und wenn dann beim Bau noch ein wenig geschlumpert wird (Auflagekerben der Sparren etwas großzügiger, mal ein Sparren weniger als vorgesehen, d.h etwas größere Sparrenabstände), dann ist das Dach auch schon ohne Photovoltaik überlastet. Das will dann aber niemand einsehen, überall sind ja die Photovoltaikplatten auf den Dächern, warum soll das bei mir nicht möglichen sein ???

  5. Hallo zusammen,

    ich bin im Zuge unserer geplanten PV Anschaffung auf das Thema Statik gestoßen, da Glas-Glas-Module ja deutlich schwerer sind. Kann man vom Solarteur eine Statikberechnung einfordern bzw. ist das üblich im Privatbereich? Gefordert ist das ja nicht, von daher kann ich mir gut vorstellen, dass man da auf Kopfschütteln stoßen werde.
    Ist es zu empfehlen, vorsichtshalber auf Glas-Folie-Module zu setzen? Oder mache ich mir bei einem Haus aus der 90ern nur unnötig Sorgen?

    Grüße
    L

    1. Hallo,
      ein Standsicherheitsnachweis (offizieller Begriff für “Statik”) ist für eine PV-Anlage in jedem Fall zu erbringen. Wer dafür sorgt, dass dieser erbracht wird ist letztlich Verhandlungssache.
      Unter Umständen kann das Ergebnis dieser Berechnungen sein, dass man irgendwo Gewicht einsparen muss. Eine Möglichkeit diese Bedingung zu erfüllen wäre dann leichtere Module einzubauen.
      Matthias Diehl

  6. Schönen guten Tag,
    auf der Suche nach Informationen der für eine PV Anlage habe ich den Eintrag hier gelesen.
    Und leider ist das genau mein Thema. Wir haben eine eine PV-Anlage geplant und ich möchte mich auf jeden Fall ein Standsicherheitsnachweis für mein Dach haben, also klassisch “Statik” des Daches.

    Wir haben ein EFH (gebaut Ende 60er Jahre) mit einem “normalen” Satteldach mit Mittelpfetten und Sparren Achsabstand 65cm.
    Vor 2 Jahren hatten wir das Dach saniert mit Dämmung und Neueindeckung. Wir haben dabei auch Dachfenster einbauen lassen, wobei dann jeweils ein Sparren für das Fenster herausgenommen und mit einem Wechsel versehen wurde.
    Alles tutti, Bauamt sagt das ist alles in Ordnung usw.

    3 PV Anlageanbieter sagen, dass wäre alles kein Problem, Standard halt.
    Wollte das nun durch einen vor Ort ansässigen Statiker überprüfen lassen, aber der hat gemeint, dass es prinzipiell alles passt, aber er wegen der Fensteraussparrungen nicht sicher ist und wegen Haftungsfragen mir keinen Nachweis geben möchte. Er kenne sich mit PV Anlagen auch nicht aus. Ich habe so etwas noch nie gehört. 2 andere Ingenieur Büros kontaktiert, aber da antwortet noch nicht einmal jemand. Wahrscheinlich keine Zeit oder der Nachweis bringt kein Geld ein.

    Was wäre die beste Möglichkeit, wie man einen Fachmann findet, der so etwas ausstellt? Muss es unbedingt jemand vor Ort sein oder geht so etwas auch ohne Vor-Ort-Besichtigung?
    Mit was für Kosten muss man ungefähr rechnen?

    Es wäre super, wenn sie mir da ein wenig auf die Sprünge helfen könnten.
    Vielen Dank und Gruß
    Tobias

    1. Hallo Tobias,
      ich habe unten im Artikel zwei Kollegen genannt, die ich stets kontaktiere, wenn es um Standsicherheitsnachweise geht:
      Jörg Ackermann oder Cedrik Zapfe. Die Links zu deren Büros finden sich unten im Artikel.
      Matthias Diehl

      1. Hallo Herr Diehl,
        vielen Dank für ihre Antwort. Ich hatte das zwar gelesen, aber gedacht, dass der Statiker immer vor-Ort eine Besichtigung machen muss.
        Ich werde dort dann einmal nachfragen. Ich bin gespannt 😉

        Viele Grüße
        Tobias

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