Dürfen Solarmodule für Wartungs- und Reinigungszwecke betreten werden ?

Eine Frage, die auch nach Jahren immer mal wieder gestellt wird und in diesem Blogartikel kurz und knapp beantwortet werden soll.

Darf man Solarmodule betreten ?

Wer einfach nur die schnelle Antwort sucht: “NEIN” Solarmodule dürfen nicht betreten werden. Wer’s gerne ein wenig ausführlicher mag kann hier im Artikel noch ein wenig mehr erfahren.

Was passiert, wenn man es trotzdem macht ?

Die Entwicklung der Empfindlichkeit von Solarzellen zeigte in den letzten 20 Jahren immer nur in eine Richtung: Hin zu dünneren Zellen. Dadurch , dass man versucht, immer günstigere Zellen herzustellen, versucht man selbstredend auch den Einsatz des teuren Siliziums immer mehr zu verringern und macht daher die Wafer, also die dünnen Scheiben, aus denen später Solarzellen werden, immer dünner. Während wir noch vor 20 Jahren Scheiben in der Größenordnung von 350µm genutzt haben, hat sich die Waferdicke mittlerweile auf 120µm – 150µm reduziert. Man kann sich vorstellen, dass diese hauchdünnen Scheiben schneller brechen, als man gucken kann. Die Zellen werden im Solarmodul zwar in ein Sandwich zwischen zwei EVA Folien und hinter eine Modulglasscheibe eingepackt, aber dennoch können die Zellen sehr leicht brechen. Insbesondere bei Glas-Folienmodulen passiert das auch oft schon während des Transports oder während der Montage. Nicht jeder Schritt auf ein Modul zerstört sofort eine Zelle, aber wenn man Pech hat und die falsche Stelle am Modul erwischt, kann es schon knacken.

In diesem Video sieht man, wie Zellrisse beim Begehen eines Solarmodules entstehen.
In diesem Video sieht man, wie Zellrisse beim Begehen eines Solarmodules entstehen. (Quelle: Remy Wedig, pvControl)

Was passiert am Zellriß ?

Solange nicht ein Teil der Solarzelle vollständig abgetrennt wurde, arbeiten beide Teile der Zelle noch völlig normal. Es sind dann einfach zwei parallel geschaltete Teilzellen. Wenn ein Teil der Zelle vollständig abgerissen ist, liefert die Zelle nur noch den Strom, der Teilzelle, die mit den anderen Zellen noch verbunden ist. Es gilt dabei die Regel: “Je kleiner die verbleibende Zellfläche, desto kleiner der Kurzschlussstrom”. Hat  nach einem Zellbruch nur noch 80% der ursprünglichen Zellfläche elektrischen Kontakt zu den Nachbarzellen,  kann anschließend der komplette Substring nur noch 80% des Kurzschlussstromes der unbeschädigten Zellen liefern. Bei älteren Vollzellen mit wenigen Busbars kam so etwas immer mal wieder vor und hat zu deutlichen Leistungseinbußen geführt.

Das Bild zeigt ein älteres Solarmodul mit vielen Zellrissen.
Das Bild zeigt eine Elektrolumineszenzaufnahme eines älteren Solarmoduls mit vielen Zellrissen.

Misst man eine Hellkennlinie des Moduls, so erhält man den typischen Buckel in der Kennlinie, wie man es auch von teilverschatteten Solarmodulen kennt.
Bei neueren Zellen mit vielen Busbars kommen Teilabrisse von ganzen Zellabschnitten quasi nicht mehr vor, weil die Stromverteilung über die Zellen, durch die vielen Busbars, sehr homogen ist.

Das Bild zeigt die Elektrolumineszenz-Aufnahme von kleinen Mikrorissen in einer monokristallinen Halbzelle.
Das Bild zeigt die Elektrolumineszenz-Aufnahme von kleinen Mikrorissen in einer monokristallinen Halbzelle.

Trotzdem sind Zellen mit vielen Mikrorissen auf einer Elektrolumineszenz-Aufnahme sehr viel dunkler als Zellen ohne Risse.

Das Bild zeigt Elektrolumineszenzaufnahmen eines Solarmoduls mit vielen Zellrissen, bei verschiedenen Rückstromstärken.
Das Bild zeigt Elektrolumineszenzaufnahmen eines Solarmoduls mit vielen Zellrissen, bei verschiedenen Rückstromstärken. (Quelle: Remy Wedig, pvControl)

Warum sind Solarzellen mit Mikrorissen im Elektrolumineszenzbild dunkler ?

Um dieses Phänomen zu verstehen, muss man zwei Dinge wissen. Zum einen bietet die Elektrolumineszenz einen guten Hinweis auf die Leerlaufspannung einer Solarzelle. Das bedeutet, dass eine hellere Elektrolumineszenz immer auch auf eine etwas höhere Leerlaufspannung der Solarzelle hindeutet. Der Strom ist bei den in Reihe geschalteten Zellen in allen Zellen exakt gleich.  Nun stellt sich aber die Frage, warum Zellrisse in der Solarzelle einen Einfluss auf die Leerlaufspannung haben und diese im EL-Bild dunkler machen ? Dazu macht es Sinn, sich die wesentlichen Wirkungsgradverbesserungen von Solarzellen in den letzten Jahren anzusehen. Während man die Ladungsträgerlebensdauern von Elektronen, die durch einfallendes Licht angeregt wurden, in monokristallinen Solarzellen kaum noch verbessern kann, wurden die wesentlichen Erfolge dadurch erzielt, dass man den Übergang vom Silizium zur Luft, bzw. die Verbindungen zwischen Siliziumkristall zu den metallischen Kontakten an der Vorder- und an der Rückseite der Solarzellen immer weiter verbessert hat. Die Stichworte lauten Passivierung und Metallisierung. Man hatte zunächst die Frontseiten der Zellen mit einer hauchdünnen Silizium-Nitrit Schicht passiviert, um die Rekombinationsverluste der Zellen an der Zelloberfläche immer mehr zu verringern. Diese Passivierungsschicht dient außerdem als Antireflexionsschicht. Mit der Schichtdicke kann man exakt steuern, bei welcher Wellenlänge des einfallenden Lichtes die maximale Absorption auftritt. Die Farbgebung der Solarzelle ist wesentlich auf die Dicke dieser Schicht zurückzuführen. Die großen Erfolge in Punkto Wirkungsgradverbesserung, die man durch diese Passivierungsmethoden erzielt hat, waren dann der Grund dafür, das Ganze auch auf der Rückseite der Zellen anzuwenden, diese auch zu passivieren, was schließlich in der Markteinführung der sogenannten PERC Zellen (Passivated Emitter Rear Contact) Zellen mündete. Doch was hat das Ganze mit Zellrissen zu tun ? Nun, wenn man viele kleine Zellrisse in einer Solarzelle hat, so sind sämtliche Bruchkanten natürlich nicht mehr passiviert und damit werden die Maßnahmen an den Vorder- und Rückseiten der Zellen teilweise wieder aufgehoben und es entstehen an diesen Bruchkanten Rekombinationszentren. Die Ladungsträgerlebensdauern reduzieren sich in diesen Bereichen, so dass weniger Ladungsträger pro Zeiteinheit zu den Kontakten gelangen und dadurch die Leerlaufspannung der betroffenen Zelle reduziert wird. Auch bei der Herstellung von Halb- oder Drittelzellen muss dieser Effekt beachtet werden und es muss dafür gesorgt werden, dass die Kanten der Zellen nach dem Schnitt passiviert werden, um Wirkungsgradverluste zu vermeiden.

Wie stark wirken sich die Mikrorisse auf den Stromertrag aus ?

In einem anderen Artikel hier im Blog hatte ich schonmal gezeigt, dass man in den Dunkelkennlinien ungefähr mit einem Spannungsverlust von 100mV pro defekter Zelle rechnen muss (das ist natürlich ein grober Daumenwert…). Das bedeutet, dass die Zelle ungefähr 10-15% Ihrer Spannung verliert. Es ist daher keine große Leistungseinbuße zu erwarten und niemand würde wegen einer einzigen dunklen Zelle auf einem Modul das ganze Modul austauschen. Trotzdem ist es eine Vorschädigung und wie man oben im Video sehen kann, werden diese Risse bei jeder Bewegung des Moduls, durch Wind und Schnee oder Tiere belastet, so dass die Vorschädigung der Zelle im Laufe der Jahre mit Sicherheit nicht besser wird.

Sonderlösungen sind nicht mit Standardmodulen vergleichbar.

Es gibt immer mal wieder Sonderlösungen, wo Solarmodule für die Belegung von Fahrradwegen oder gar Bahngleisen vorgeschlagen werden. Dies sind aber immer Sonderlösungen.

Das Bild zeigt einen Modellversuch zur Nutzung von Fahrradwegen zur solaren Stromerzeugung.
Das Bild zeigt einen Modellversuch zur Nutzung von Fahrradwegen zur solaren Stromerzeugung. (Quelle: SolaRoad)

Die normalen Standardmodule, auch die Module mit Doppelglas Technik sind nicht dafür gebaut, dass man drüber läuft.  Ich möchte daher die Botschaft an alle Installateure, Modulreiniger und alle Anderen, die in die Verlegenheit kommen könnten dazu aufrufen:
LAUFT NICHT ÜBER SOLARMODULE, BITTE.

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