Es ist mittlerweile genau 4 Jahre her, seit ich zum ersten Mal hier im Blog über das Messen von Dunkelkennlinien an ganzen Solargeneratorsträngen im Feld berichtet hatte. Damals hatten wir gerade die ersten Tests gemacht und versucht heraus zu bekommen, ob diese Methode bei der Fehlerdiagnose an Solarstromanlagen sinnvoll einzusetzen sein würde. Heute, viele tausend Kennlinien später, möchte ich nun darüber berichten was genau man mit der Methode anfangen kann.
Anforderungen bei der Fehlerdiagnose an Solarstromanlagen
Grundsätzlich stehen wir bei der Fehlerdiagnose vor der Herausforderung, dass die Anlagenpreise sinken und man auch beim Diagnostizieren von Fehlern keinen riesigen Aufwand mehr betreiben kann, um kleinsten Ertragsverlusten nachzuspüren. Es kommt also sehr darauf an, schnell zu messen und immer das zu messen was wirklich zu nutzbaren Ergebnissen führt. Im Gegensatz zu der mittlerweile weit verbreiteten Drohnenthermographie von PV-Anlagen ist das Messen von Dunkelkennlinien vergleichsweise aufwändig. Man muss an jeden Modulstrang dran und ähnlich wie bei den Inbetriebnahmemessungen mit dem Benning PV-1-1 jeden einzelnen Strang vom Wechselrichter oder vom GAK (Gleichstrom Anschlusskasten) trennen. Will man mehr über den elektrotechnischen Zustand seiner PV-Anlage erfahren, was mit einer Drohnenthermographie alleine nicht möglich ist, ist die Dunkelkennlinienmessung (DK-Messung) allerdings eine sehr effektive und nutzbringende Methode. Außerdem kann diese Messung bei jedem Wetter durchgeführt werden, was insbesondere für die Zeitplanung der Untersuchungen sehr hilfreich ist. Wir schlagen unseren Kunden daher mittlerweile vor, die DK-Messungen immer dann zu machen, wenn:
- Eine PV-Anlage neu in Betrieb genommen wird
- Eine PV-Anlage den Eigentümer wechselt
- Die Gewährleistung für eine PV-Anlage ausläuft
Immer dann, wenn man genau wissen will, wie es um die Anlage wirklich bestellt ist, kann man eine DK-Messung durchführen und diese dann zur Auswahl einer Stichprobe an Modulsträngen nutzen, die man mit der Elektrolumineszenz Methode näher untersuchen will. Dunkelkennlinien Messungen und Elektrolumineszenz Untersuchungen im Feld gehören insofern fest zusammen.
Was sind Dunkelkennlinien von Solarmodulsträngen ?
Doch der Reihe nach. Hier soll zunächst noch einmal genau erklärt werden, was es mit der Methode der Dunkelkennlinienmessungen genau auf sich hat und wie das Ganze funktioniert.
Jede Solarzelle ist aus der Sicht eines Elektrotechnikers eine Halbleiterdiode und wenn es dunkel ist, verhält sich die Solarzelle exakt wie eine Diode. Die Diode lässt den Strom in eine Richtung ab einer Spannung von 0,5V passieren und in die andere Richtung ist sie nichtleitend. Das gilt zumindest solange, bis eine maximale Spannung (bei Solarzellen ca. 14V) überschritten ist und die Diode durchbricht. Hierbei ist kein mechanisches Durchbrechen gemeint, sondern ein “leitend werden” in Sperrichtung, was oft auch zur thermischen Zerstörung der Diode führt. Die Kennlinie einer Diode in Durchlassrichtung zeigt einen typischen exponentiellen Verlauf, der die Eigenschaften der Diode charakterisiert. Ebenso ist es bei Solarzellen. Eine Kennlinie ist dabei nichts weiter als die Zuordnung von Strom und Spannungswerten, dargestellt in einem Koordinatensystem, bei dem die X-Achse mit Spannungswerten und die Y-Achse mit Stromwerten belegt wird. So wie sich bei einem Ohmschen Widerstand aus dieser Zuordnung eine Gerade ergibt (U=R*I), so ergibt sich bei einer Solarzelle eine Exponentialfunktion. Was für einzelne Zellen gilt, gilt selbstverständlich auch für die Reihenschaltung von Solarzellen zu Solarmodulen und für die Reihenschaltung von Solarmodulen zu Solarmodulsträngen. Jeder Modulstrang hat seine typische Kennlinie. Eine Dunkelkennlinie ist dabei lediglich noch von den Materialeigenschaften und von der Temperatur abhängig.
Wie misst man Dunkelkennlinien ?
Messen kann man solche Kennlinien mit einem Netzteil, das dazu in der Lage ist eine Spannung zu liefern, die ungefähr 0,75V pro Solarzelle beträgt.
Beispiel: Besteht ein Modulstrang aus 22 Solarmodulen mit jeweils 60 kristallinen Solarzellen, so ergibt sich eine notwendige Spannung von ca. 0,75V*22*60 =990V. Mit dieser Spannung kann man Ströme von bis zu 5A in die Solarzellen hineintreiben. Die Solarzellen arbeiten in diesem Betriebszustand demnach als Verbraucher. Variiert man nun die Spannung, so dass sich nacheinander verschiedene Ströme einstellen und notiert immer die Strom und Spannungswerte zum jeweiligen Arbeitspunkt, so kann man anschließend mit Papier und Bleistift oder einfacher mit einem Tabellenkalkulationsprogramm eine Kennlinie erzeugen. In der Praxis geht das natürlich viel schneller und vollautomatisch, wenn man ein Service Netzteil wie den pvServe nutzt, das im Modus DK für Dunkelkennlinie in rasender Geschwindigkeit nacheinander sämtliche Arbeitspunkte einer Kennlinie einstellt, die Strom-Spannungspaare auf einer SD Karte speichert und diese Daten anschließend in Form einer Textdatei bereit hält. Wir lesen diese Daten dann mit Hilfe eines einfachen VBA Makros in eine Tabellenkalkulation ein und erhalten eine Kennlinie, wie sie oben im Bild zu sehen ist. Das Messen einer solchen Kennlinie dauert weniger als eine Sekunde.
Wie identifiziert man Fehler bei der Messung von Dunkelkennlinien ?
Der Vorteil der Dunkelkennlinien ist, dass sie bei allen Modulsträngen mit gleicher Modulanzahl exakt gleich aussehen müssen (siehe nachfolgendes Bild), wenn alle Module keine Fehler aufweisen. Sobald es in einem Modul Zellen gibt, die z.B. den PID Effekt zeigen oder Kontakte, die hochohmig geworden sind, zeigt sich dieser Fehler durch eine abweichende Dunkelkennlinie. Man kann auf diese Weise sehr schnell die Spreu vom Weizen trennen und unter einer großen Anzahl von Modulsträngen die auffälligen identifizieren. Das Schöne daran ist, dass man auch hochohmige Steckverbinder zwischen den Solarmodulen finden kann, die mit einer Thermographiedrohne nicht festzustellen sind.
In Zukunft werden wir versuchen, standardmäßig immer auch die Kennlinien der Bypassdioden mit zu messen, wie es oben im Bild zu sehen ist. Wenn eine Bypassdiodenstrecke offen ist, also die Bypassdiode komplett fehlt, kann man das mit dieser Methode herausfinden. Ich hatte die Untersuchung schon mal in diesem Artikel hier im Blog ausführlich beschrieben.
Dunkelkennlinien Messungen als Vordiagnose
Den mit Abstand besten Einblick in den Qualitätszustand einer Solarstromanlage liefert eine Elektrolumineszenzuntersuchung. Bei dieser Methode werden die Solarmodule rückwärts bestromt und emittieren dabei eine elektromagnetische Strahlung im nahen Infrarotbereich (NIR). Diese Untersuchung kann, wie das Messen der Dunkelkennlinien, nur bei Nacht oder im Labor stattfinden (zumindest dann, wenn man die Untersuchungen mit kostengünstigem Equipment kleiner 10.000.-€ durchführen möchte). Die Methode wurde hier im Blog bereits ausführlich beschrieben.
Der Aufwand einer Outdoor Elektrolumineszenz ist allerdings – insbesondere bei großen PV-Anlagen – nicht unerheblich. Es muss jeder einzelne Modulstrang bestromt werden und man muss sich in eine Position bringen, aus der die Solarmodule gut eingesehen werden können. Bei Schrägdächern ist das oft mit dem Einsatz eines Hubsteigers verbunden, aber auch bei Flachdächern oder in Freiflächenanlagen muss man zum Teil erhebliche Strecken zurücklegen, um die Elektrolumineszenzaufnahmen mit einer brauchbaren Qualität zu machen.
Am Ende bekommt man dann oft hunderte von Aufnahmen, auf denen man nur kleine Auffälligkeiten, bzw. keine Probleme sieht. Da uns insbesondere die Problemfälle interessieren und wir mit möglichst geringem Aufwand maximal gute Ergebnisse bei der Fehlersuche erzielen wollen, bietet es sich an, eine Dunkelkennlinienmessung als Vordiagnose zu machen. – Beim Arzt lässt man sich ja auch erst operieren, nachdem ausführliche Voruntersuchungen gemacht wurden. – Zur Messung der Dunkelkennlinien kann man die ganze Zeit an der Wechselrichterstation bleiben und muss nicht auf dem Dach herumklettern oder im Park nach den Modulsträngen suchen. In größeren Solarparks mit mehreren MWp muss man allerdings schon mobil sein, um schnell von einer Station zur nächsten zu gelangen, um möglichst viele Dunkelkennlinien in möglichst kurzer Zeit zu messen. Bei unseren Einsätzen war in der letzten Zeit zu diesem Zweck immer ein Mini-Quad im Einsatz, das sowohl geländegängig ist, als auch durch schmale Modulreihen hindurch passt. Das Quad mit dem Kosenamen “FliWaTüt” trägt dabei sowohl einen Notstromgenerator, als auch auch den pvServe zur Durchführung der Messungen. Mit dieser Methode ist es uns gelungen, in zwei Nächten bis zu 1000 Dunkelkennlinien zu messen. In einer modernen Photovoltaikanlage mit Strangleistungen um die 8 kWp kann man damit also pro Nacht ungefähr 4MWp messen.
Vom Ablauf her misst man zunächst alle Kennlinien, wertet diese dann aus und sucht gezielt die auffälligen Modulstränge für eine Elektrolumineszenz Stichprobe aus.
Diese Stichprobe wird dann mit der Elektrolumineszenzmethode detailliert untersucht. Dabei ist es auch nicht notwendig, alle auffälligen Modulstränge anzuschauen. Wenn die Dunkelkennlinien bereits einen ähnlichen Schädigungsgrad signalisieren, kann man erwarten dass auch die in der Elektrolumineszenz zu sehenden Schäden ähnlich sein werden. Mit dieser Methode gelingt es im wahrsten Sinne des Wortes die Stecknadel im Heuhaufen zu finden. Das nachfolgend gezeigte Bild ist in einer nagelneuen PV-Anlage entstanden. Es gab insgesamt über 90 Modulstränge, die alle in Ordnung waren, bis auf den Einen, der hier auf der Aufnahme zu sehen ist.
Fazit: Wann machen Dunkelkennlinienmessungen Sinn ?
Als Fazit würde ich festhalten, dass die Messung der Dunkelkennlinien immer dann Sinn macht, wenn man den Zustand einer Photovoltaikanlage gründlich feststellen will. In der Regel ist das die Erstinbetriebnahme (um den Erstzustand gegenüber Versicherungen oder Modulherstellern eindeutig dokumentiert zu haben), das Ende der Gewährleistung des Installateurs oder ein Eigentumsübergang, also beim Verkauf einer PV-Anlage. Für die regelmäßige Wartung ist ein professionelles Monitoring in Kombination mit einer jährlichen Befliegung mit einer Thermographiedrohne sicherlich vollkommen ausreichend. Wenn die Befliegung dann Auffälligkeiten zeigt, kann man bei Bedarf wieder mit der Dunkelkennlinienmessung und der Elektrolumineszenzuntersuchung tiefer ins Detail gehen.