Offene Bypassdiodenstrecken an neuen Solarmodulen – neuer Serienfehler ?

Ich hatte vor einigen Jahren hier im Blog bereits beschrieben, wie man offene Bypassdiodenstrecken an Photovoltaikmodulen finden kann. Aus aktuellem Anlass möchte ich die Beschreibung und die Diagnose dieses Fehler einmal wieder hervorholen.

Gibt es einen neuen Serienfehler in der PV-Branche ?
Gibt es einen neuen Serienfehler in der PV-Branche ?

Nach einem Überspannungsschaden an einer PV-Anlage sind Bypassdioden meistens kurzgeschlossen. Bei den Fällen, die ich bisher untersucht habe, waren bei schweren Blitzereignissen die meisten Bypassdioden in den Modulsträngen kurzgeschlossen. Hin und wieder hat man auch mal eine offene Bypassdiodenstrecke gefunden, also den Zustand, als wäre keine Bypassdiode eingebaut. Das kam in der Vergangenheit allerdings nur äußerst selten mal vor.

Offenbar ein neuer Serienfehler

Im letzten Jahr häuften sich dann allerdings plötzlich die Fälle, bei denen an Photovoltaikmodulen immer mal eine Bypassdiodenstrecke offen war. Wir haben an 6 nagelneuen PV-Anlagen immerhin 10 offene Bypassdiodenstrecken gefunden. Bei einer Anlage waren es sogar mal gleich 3 offene Diodenstrecken. Da wir bei unseren pvInbetriebnahmeprüfungen immer alle Dunkelkennlinien messen und dann routinemäßig auch die Bypassdiodenstrecken überprüfen, ist uns das aufgefallen.

Das Bild zeigt das Ergebnis der Dunkelkennlinienmessungen an einer 800kWp PV-Anlage. Man erkennt deutlich die Kennlinien an denen die Bypassdiodenstrecken offen sind.
Das Bild zeigt das Ergebnis der Dunkelkennlinienmessungen an einer 800kWp PV-Anlage. Man erkennt deutlich die Kennlinien an denen die Bypassdiodenstrecken offen sind.

Als ich das Thema in unserem Sachverständigen-Arbeitskreis angesprochen habe, kam direkt eine Rückmeldung von zwei weiteren Kollegen, die das Problem ebenfalls bereits beobachtet hatten. Es wurde von Fällen mit offenen Bypassdiodenstrecken aber auch von Fällen mit offenen Substrings, bei nagelneuen Solarmodulen berichtet. Bei näherer Untersuchung einiger Fälle stellte sich heraus, dass es offenbar Hersteller gab, die den Lötprozess der Bypassdioden, bei den modernen Modulen mit Halfcutzellen, noch nicht zu 100% automatisiert hatten, bzw. die den Lötprozess noch nicht so im Griff hatten, dass eine sichere Verbindung zu den Bypassdioden gewährleistet war. Ganz offenbar wurde dann bei der Endkontrolle der fertigen Solarmodule die Funktion der Bypassdioden nicht mehr überprüft. Beim den normalen Flashtests wird ja nur die Leistung der Module bestimmt und bei diesen Tests sind die Bypassdioden nicht in Aktion. Eine offene Bypassdiodenstrecke fällt bei einem Flashtest daher nicht auf.

Das Bild zeigt, wie man mit einem externen Netzteil feststellen kann, ob in einem Modulstrang noch alle Bypassdioden in Ordnung sind.

Brandgefahr durch offene Bypassdiodenstrecken

Wie bei den Flashtests, so werden auch im Betrieb offene Bypassdiodenstrecken zunächst nicht bemerkt. Die wichtigste Funktion der Bypassdioden ist der Schutz der Solarzellen vor Überhitzung und diese Überhitzung findet insbesondere dann statt, wenn die Solarzellen verschattet oder verschmutzt sind (siehe hier). Wird nun ein Solarmodul mit einer offenen Bypassdiodenstrecke ausgerechnet dort in einer Anlage eingebaut, wo es regelmäßig zu Teilverschattungen kommt oder wird ausgerechnet so ein Modul mit einem dicken Schmutzfleck versehen, so kann es zu extremer Erhitzung der Zelle führen und wie wir mittlerweile wissen, auch die Rückseitenfolie entzünden. Das Bild unten zeigt genau so einen Fall.

Das Bild zeigt ein Solarmodul mit einer offenen Bypassdiodenstrecke am mittleren Substring.
Das Bild zeigt ein Solarmodul mit einer offenen Bypassdiodenstrecke am mittleren Substring.

Es ist daher zu empfehlen bei der Inbetriebnahme von Neuanlagen alle Bypassdioden einmal durchzuchecken. Dazu wird mit einem externen Netzteil, bei Dunkelheit ein Strom durch die Bypassdiodenstrecken gedrückt. Wenn alle Bypassdioden in Ordnung sind braucht man dazu ca. 0,4V/Diode. Bei 3 Dioden pro Modul kommt man damit bei z.B. 22 Modulen in Serie auf 66 Bypassdioden oder 66*0,4 = 26,4V. Benötigt man deutlich mehr Spannung, muss davon ausgegangen werden, dass mindestens eine Bypassdiode defekt ist. Wenn die Bypassdiode fehlt kann der Strom nur noch durch den Substring in Sperrichtung der Solarzellen(dioden) fließen. Da die modernen Halfcutzellen erst bei ca. 20V elektrisch durchbrechen, braucht man demnach für einen Substring mit 20 Zellen ca. 400V, um einen kleinen Strom zu treiben.

Das Bild zeigt die Rückseite eines Moduls, bei dem ebenfalls die mittlere Bypassdiode nicht korrekt verlötet war. Die Modulglasscheibe war noch intakt. Lediglich an der Rückseitenfolie gab es bereits deutliche Zeichen von Überhitzung.
Das Bild zeigt die Rückseite eines Moduls, bei dem ebenfalls die mittlere Bypassdiode nicht korrekt verlötet war. Die Modulglasscheibe war noch intakt. Lediglich an der Rückseitenfolie gab es bereits deutliche Zeichen von Überhitzung.

Das defekte Modul finden

Das defekte Modul mit der fehlenden Bypassdiode findet man am einfachsten, indem man den oben beschriebenen Strom mit hoher Spannung durch die Solarzellen in Sperrichtung treibt. Das ist für die Zellen zwar sehr ungesund, erwärmt diese allerdings sehr schnell sehr stark, so dass man die Stelle mit der defekten Bypassdiode einfach, mit Hilfe einer Thermographiekamera oder wie hier mit einer Thermographie-Drohne, finden kann.

Das Bild zeigt, wie man eine offene Bypassdiodenstrecke mit der Thermohraphie-Methode lokalisieren kann. Das Modul wird hier für den Austausch markiert.
Das Bild zeigt, wie man eine offene Bypassdiodenstrecke mit der Thermographie-Methode lokalisieren kann. Das Modul wird (Bild links) für den Austausch markiert (Bild: Schreiber-Solar).

Hat man die gennannten Hilfsmittel (Netzteil mit mindestens 400Vdc und Thermographiekamera) nicht zur Hand, bleibt nur die Möglichkeit den Modulstrang kurzzuschließen und den Kurzschlusstrom zu messen. Dann muss man Substring für Substring mit einem Stück Pappe abdecken, bis der Kurzschlussstrom plötzlich komplett einbricht. Dann hat man das defekte Modul mit der offenen Bypassdiodenstrecke gefunden.

Es wäre interessant zu erfahren, ob es sich um ein seltenes oder um ein neues Serienproblem handelt. Nutzen Sie bitte die Kommentarfunktion, wenn Sie auch entsprechende Fehler gefunden haben und teilen Sie Ihre Erfahrungen mit uns.

Kommentare

  1. Lieber Herr Diehl,
    Wie immer ein top interessanter Blog. Eine Verständnisfrage hätte ich zum zweiten Bild (Dunkelkennlinie): Werden die Zellen der offenen Bypassdiodenstrecke bei der Aufnahme der Dunkelkennlienie beschädigt, da hier doch einiges an Leistung in “Durchbruchsrichtung” vorhanden ist?
    LG Alexander

    1. In der Tat ist es für die Solarzellen nicht gesund, sie zu lange im “Durchbruch” zu betreiben. Da es aber in erster Linie darum geht das betroffene Modul zu finden und auszutauschen kann man das trotzdem machen. Bei nagelneuen gesunden Zellen, die man noch lange verwenden will, sollte man es vermeiden.

      1. Hallo Herr Diehl,
        nur zum Verständnis:
        Wie passen die Aussagen:
        “Bei nagelneuen gesunden Zellen, die man noch lange verwenden will, sollte man es vermeiden.”
        und
        “Da wir bei unseren pvInbetriebnahmeprüfungen immer alle Dunkelkennlinien messen …”
        zusammen?
        Wie “nicht gesund” sind diese Messungen, bzw wieviele Messungen kann man machen?
        Vielen Dank
        Mit freundlichen Grüßen
        Jan Bräutigam

        1. Das war etwas unglücklich formuliert. Wenn eine Bypassdiodenstrecke offen ist, wird das Modul eh ausgetauscht. Dann macht es auch nichts, wenn die Zellen – bei der Suche nach dem Fehler – etwas belastet werden.
          Das Messen der Dunkelkennlinien ist zu 100% gesund ;-). Wir nutzen lediglich Ströme von max. 5A. Diese liegen immer deutlich unter dem Isc der Module.

    1. Hier in diesem Fall sind die Dioden nicht korrekt verlötet. Es ist also die gleiche Situation, als wäre die Bypassdiode nicht eingebaut. Das gleiche passiert, wenn eine Bypassdiode nach einem Überstrom-Ereignis völlig zerstört ist.

  2. Bei dem genannten Problem – inwieweit sind Optimierer hier hilfreich z.B. von Tigo. bzw. wie verändert sich das Gesamtverhalten beim Einsatz von Optimieren an einem Modul mit defekter Diode.

    1. ich kann die Frage leider nicht beantworten, da ich nicht weiß, ob die Optimierer dazu in der Lage sind das Modul zu überbrücken, um zu hohe negative Spannungen zu vermeiden. Es ist aber anzunehmen, dass sie es können.

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