Interpretation von Thermographie-Aufnahmen von Photovoltaikanlagen

Wir wünschen allen Lesern hier im Blog ein gutes neues Jahr 2025.
Eine wesentliche Kompetenz bei der Nutzung der Drohnenthermographie zur Untersuchung von PV-Anlagen besteht in der anschließenden Auswertung der gewonnenen Thermographie-Aufnahmen und deren Bewertung. In unseren Seminaren zur systematischen Fehlersuche an Photovoltaikanlagen zeigen wir immer eine ganze Reihe an verschiedenen Thermographie-aufnahmen und lassen die Teilnehmer herausfinden, welcher Fehler oder welche Auffälligkeit auf den jeweiligen Aufnahmen zu sehen ist.  Eine Aufnahme die immer besonders viele fragende Gesichter produziert, soll im folgenden Artikel mal gezeigt und erklärt werden.

Thermogramm aus der Praxis

Das Thermogramm zeigt moderne Solarmodule mit halfcut Zellen und einer sogenannten Butterfly-Architektur, das bedeutet, das jedes Modul 6 Substrings hat und immer jeweils 2 Substrings parallel geschaltet wurden. Besprochen werden sollen die Auffälligkeiten auf zwei der Solarmodule, die von einer harten Teilverschattung betroffen sind. die komplette Zellen abdunkelt.

Das Bild zeigt das Thermogramm von zwei teilverschatteten Solarmodulen.
Das Bild zeigt das Thermogramm von zwei teilverschatteten Solarmodulen. (Bildquelle: Solar-E-Technik Hamm GmbH)

Es zeigen sich auf  den Solarmodulen auffällig warme Zellen und zwar in Bereichen, die überhaupt nicht von der Verschattung betroffen sind. Im verschatteten Bereich sind die Substrings der Module etwas wärmer als die benachbarten Substrings. Wie kann das sein ? Liegt hier ein Modulfehler vor oder handelt es sich um ein Phänomen, dass durch die Verschattung erklärt werden kann ?

Modularchitektur verstehen

Um solche Thermogramme korrekt interpretieren zu können, muss man sich ein wenig mit der Modularchitektur beschäftigen und mit dem Zusammenspiel der Modulestränge auf dem Dach und dem Wechselrichter. Zunächst schauen wir uns daher mal die Modularchitektur, also die interne Verschaltung der Solarmodule genauer an:

Das Bild zeigt die interne Verschaltung eines Solarmoduls mit 120 halfcut Zellen.
Das Bild zeigt die interne Verschaltung eines Solarmoduls mit 120 halfcut Zellen mit Butterly-Architektur.

Solarzellen sind Halbleiterdioden

In dieser Darstellung wird jede Solarzelle als eine Halbleiterdiode mit einer parallel geschalteten Stromquelle dargestellt. Die Stromquelle repräsentiert hierbei die Einstrahlung. Es sei daran erinnert, dass der Strom durch eine Solarzelle in guter Näherung proportional zur Einstrahlung auf die Zelle ist. Ist die Einstrahlung komplett weg –  also bei Nacht – ist jede Solarzelle elektronisch gesehen eine einfache Halbleiterdiode. Zu beachten ist, dass die Stromrichtung in die der Generationsstrom normalerweise fließt von dieser Diode vollständig gesperrt wird.

Das Bild zeigt das Eindioden-Ersatzschaltbild einer Solarzelle.
Das Bild zeigt das Eindioden-Ersatzschaltbild einer Solarzelle.

Bei einer teilweisen Verschattung der Solarzelle wird die Stromquelle gegenüber den Nachbarzellen nur noch einen verminderten Strom liefern können. Das bedeutet gleichzeitig, dass entweder der Strom im gesamten String absinken muss, da alle Zellen in Reihe geschaltet sind oder dass die Bypassdiode einen Teil des Stromes übernehmen muss.

Der Bildausschnitt zeigt die 3 Bypassdioden des Solarmoduls
Der Bildausschnitt zeigt die 3 Bypassdioden des Solarmoduls

Nun ist die entscheidende Frage, was passieren muss, damit die Bypassdiode des von Verschattung betroffenen Substrings einen Teil des Stroms übernehmen kann ?

Substring mit vollständig verschatten Solarzellen

Um sich das zu verdeutlichen, macht es Sinn sich einmal nur einen Substring im Detail anzusehen. Das Bild unten zeigt einen Substring im normalen Betrieb, wenn alle Zellen von der gleichen Einstrahlung getroffen werden. Die 20 Zellen des Substrings bilden eine Quellenspannung. Die Größe dieser Spannung ist abhängig vom Arbeitspunkt in dem das Solarmodul gerade betrieben wird und dieser Arbeitspunkt wiederum hängt vom MPP Regler des Wechselrichters ab. Im Normalfall, bei einem gut funktionierenden Wechselrichter sollte diese Quellenspannung der MPP -Spannung der Zellen entsprechen. Die Summe dieser Zellenspannungen Vzelle (grün) fallen dann als Sperrspannung an der Bypassdiode (rot) ab. Im Normalfall, ohne Verschattung ist diese Bypassdiode daher immer gesperrt und führt keinen Strom. Wer sich die elektrotechnischen Grundlagen dieser Überlegung nochmal zu Gemüte führen möchte, sei auf die Kirschhoffsche Maschenregel verwiesen, die aussagt dass die Summe aller Spannungen in einem Gleichstromkreis immer gleich 0V sein muss.

Das Bild zeigt den Ausschnitt eines der 6 Substrings des Solarmoduls.
Das Bild zeigt den Ausschnitt eines der 6 Substrings des Solarmoduls.

Daraus folgt unmittelbar, dass nur dann ein Strom durch die Bypassdiode fließen kann, wenn mindestens an einer Zelle eine Spannungsumkehr stattfindet, wenn also mindestens eine Zelle plötzlich wieder für einen Teil des Stroms zur Diode wird. Wieviel Strom dann noch durch den Substring fließt, hängt sehr stark vom Verschattungsgrad der Solarzelle ab. Wenn die Zelle komplett dunkel ist, so wird der Strom der parallelen Stromquelle zu 0A und die Zelle verhält sich vollständig wie eine Sperrdiode. Das wäre der Extremfall der vollständigen Verschattung, der tagsüber natürlich nicht auftritt. Es kann aber durchaus passieren, dass der Strom auf 5-10% des Stromes im unverschatteten Zustand abfällt.

Das Bild zeigt einen Substring, bei dem zwei Solarzellen vollständig verschattet sind.
Das Bild zeigt einen Substring, bei dem zwei Solarzellen vollständig verschattet sind.

Das Bild zeigt die Spannungen, wenn eine Solarzelle verschattet ist. Moderne Solarzellen können mittlerweile bis zu 35V Sperrspannung aufnehmen, sodass eine einzige Zelle dafür sorgen kann, dass es an der Bypassdiode zu einer Spannungsumkehr kommt und die Bypassdiode den Strom des Substrings vollständig übernimmt. Schaut man sich in so einem Fall die Temperaturen der Zellen im Substring an, so sind alle Zellen etwas wärmer als die Nachbarzellen eines anderen Substrings, da sie quasi im Leerlauf sind.

Der Detailausschnitt des Thermogramms oben zeigt, dass ein stark verschatteter Substring fast im Leerlauf ist.
Der Detailausschnitt des Thermogramms oben zeigt, dass ein stark verschatteter Substring fast im Leerlauf ist.

Substring ohne Schatten aber mit aktiver Bypassdiode

Was passiert aber nun in dem zweiten, parallel geschalteten Substring (siehe Butterly-Architektur), der nicht von einer Teilverschattung betroffen ist ? Auch in diesem Stromkreis gilt die Kirschhoffsche Maschenregel. Das heißt auch hier muss es mindestens eine Zelle geben, bei der sich die Spannung umkehrt. Diesmal wird allerdings keine der Solarzellen zur vollständigen Sperrdiode, da die Zellen ja unverschattet sind. Die Zellen eines Substrings haben allerdings niemals den “exakt” gleichen Kurzschlussstrom. Alleine durch die Fertigungstoleranz der einzelnen Solarzellen wird sich der Kurzschlussstrom geringfügig unterscheiden. Das wiederum bedeutet, dass ab einem bestimmten Strom einige Zellen diesen Strom noch liefern können, andere aber bereits mehr liefern müssten als ihr Kurzschlussstrom. Das geht natürlich nicht und diese Zellen werden dann zu Verbrauchern. Was bedeutet es, wenn eine Zelle vom “Erzeuger” zum “Verbraucher” wird ?
Es bedeutet, dass das Produkt aus Strom und Spannung (P = U*I) plötzlich negativ wird. Da in einem Substring alle Zellen in Reihe geschaltet sind, wird sich die Stromrichtung nicht verändern, sehr wohl aber die Spannungsrichtung. Die Spannung wird an diesen Zellen plötzlich negativ oder anders ausgedrückt, die Solarzelle bekommt für jedes zusätzliche mA Strom nun wieder ihre Eigenschaft als Sperrdiode. Das nachfolgende Bild soll die Situation verdeutlichen:

Das Bild zeigt die Situation eines Substrings bei aktiver Bypassdiode ohne Schatten auf dem Substring.
Das Bild zeigt die Situation eines Substrings bei aktiver Bypassdiode ohne Schatten auf dem Substring.

Schaut man sich solch einen Substring nun mit einer Thermographiekamera an, so erscheinen die Zellen, die zu “Verbrauchern” geworden sind, deutlich wärmer als die Zellen, die nach wie vor Leistung liefern. Es ergibt sich das berühmte “Patternmuster”, dass sich immer dann zeigt, wenn Solarmodule im Kurzschluss sind oder eben, wenn die Bypassdioden aktiv sind.

Das Bild zeigt ein Thermogramm mit dem typischen Patternmuster, das bei aktiver oder kurzgeschlossener Bypassdiode entsteht.
Das Bild zeigt ein Thermogramm mit dem typischen Patternmuster, das bei aktiver oder kurzgeschlossener Bypassdiode entsteht.

Welche Rolle spielt der MPP Regler des Wechselrichters ?

Jetzt wäre abschließend lediglich noch die Frage zu klären, warum im betroffenen Modulstrang ein Strom fließt, der größer ist als der Strom der beiden teilverschatten Solarmodule ?
Diese Frage ist nur zu beantworten, wenn man sich die Rolle des Wechselrichters betrachtet, an den der Modulstrang angeschlossen ist. Über das MPP Tracking von Wechselrichtern habe ich hier im Blog schon geschrieben und wen es näher interessiert, der kann hier nochmal nachlesen. Grundsätzlich versucht der Wechselrichter immer die maximale Leistung aus dem Modulstrang zu entnehmen. Da der Wechselrichter die Verschattungssituation nicht kennt, kann er lediglich die Spannung am Solargenerator variieren und jeweils die entnommene Leistung messen. Findet er eine DC Spannung, bei der die Leistung höher ist als bei einem vorherigen Arbeitspunkt, so wird der Wechselrichter die DC Spannung weiter in die gleiche Richtung verändern. Reduziert sich hingegen die entnommene Leistung, so wird die Spannung in die andere Richtung verändert. Im Zuge des sogenannten “Global Peak Tracking” wird zusätzlich hin und wieder die gesamte Kennlinie durchfahren und der Punkt maximaler Leistung ermittelt.

Überträgt man diese Erkenntnis nun auf die oben im Thermogramm gezeigte Situation, so ergibt sich folgende Situation: Zwei Module im Strang haben einige Zellen die vollständig verschattet sind. Der Strom dieser Zellen sinkt fast auf 0A ab. Die zweite Hälfte der Module ist unverschattet und kann noch den vollen Strom liefern. Da die verschatteten und die unverschatteten Substrings parallel geschaltet sind, können die verschatteten Solarmodule ungefähr die Hälfte des Stromes liefern als die unverschatteten Module. Die MPP Regelung des Wechselrichters wird daher feststellen, dass man dem Modulstrang bei einer um 3 Substrings (= 1 Modul) niedrigeren Spannung den doppelten Strom entnehmen kann, als bei der hohen Spannung. Bei einer gut funktionierenden MPP Regelung wird der Wechselrichter sich daher für die niedrigere Spannung und den höheren Strom entscheiden. Er wird die Spannung daher solange reduzieren, bis in den von Verschattung betroffenen Solarmodulen die Bypassdioden leitend werden und der Strangstrom wieder genauso groß ist wie bei einem unverschatteten Strang.  Schaut man sich diesen Strang in dieser Situation mit der Thermographiekamera an, so sieht man genau das oben gezeigte Thermogramm. Die einzelnen Zellen die wärmer werden sind lediglich die schlechtesten Zellen, des von Verschattung betroffenen Substrings, sind jedoch keineswegs defekt.

Fazit

Zur Bewertung von Thermographieaufnahmen ist es immer notwendig, sich ein wenig mit der Modularchitektur und dem Zusammenspiel von Wechselrichter und Solarmodulen auszukennen. Ohne den Arbeitspunkt des Wechselrichters während der Thermographieaufnahme zu kennen, lassen sich die Aufnahmen in der Regel nicht korrekt interpretieren und es werden Fehldiagnosen gestellt. Im Fall des oben gezeigten Thermogrammes ist keine Handlung erforderlich. Das Modul darf auf einem Mängelbericht nicht auftauchen. Es handelt sich um einen “ganz normalen” Betriebszustand dieser Module bei Teilverschattung.

Weitere Infos zum Thema

Wer Lust hat sich intensiver mit diesen Themen rund um die Thermographie von PV Anlagen zu beschäftigen, sei auf unser Webinar zum Thema Thermographie und auf unsere Präsenzseminare verwiesen.

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