kurzgeschlossene Bypassdioden an Photovoltaikanlagen finden

Die Suche nach defekten Bypassioden war hier im Blog ja schon öfters mal Thema. Ich dachte eigentlich die typischen Thermogramme und Elektrolumineszenzaufnahmen schon ausführlich beschrieben zu haben, doch dann kam ein Fall, den mir ein befreundeter Drohnenflieger, der  Thomas Reusch geschickt hat und wir haben gemeinsam gerätselt, was hier wohl los sein könnte.  Nach einem kleinen Experiment im Garten hinter unserem Büro konnte das Phänomen schließlich geklärt werden, das im folgenden Artikel beschrieben wird.

Dass es bei Überspannungs- und Blitzereignissen zu kurzgeschlossenen Bypassdioden kommen kann hat sich mittlerweile ja schon herumgesprochen. Warum das eigentlich so ist, soll hier nochmal kurz beschrieben werden.
Jede Solarzelle ist bei Dunkelheit eine Diode. Die maximale Sperrspannung dieser Diode liegt bei ca. 14-15V und der normale Strom bei Beleuchtung fließt durch diese Dioden in Sperrrichtung. Da dieser Sachverhalt nicht unbedingt intuitiv ist soll es an dieser Stelle nochmal explizit erwähnt werden. Wenn durch diese Dioden Ströme fließen die größer sind als der Generationsstrom, so werden sie wieder zu Dioden in Sperrrichtung (siehe die unbekannten Bereiche der Solarzellen-Kennlinie). In einem Standardsolarmodul sind 20 dieser in Reihe geschalteten Dioden immer parallel zu einer Bypassdiode geschaltet. Um einen Strom durch die Bypassdioden zu treiben ist lediglich eine Spannung von 0,4-0,5V notwendig, während bei einem größeren Strom durch die 20 Zellen (1/3 Modul) zwischen 280-300V abfallen.
Um diesen Sachverhalt nochmal klar und verständlich zu machen, bitte ich darum folgendem Gedanken zu folgen:
Man baut aus einem Standard Solarmodul mit 60 kristallinen 6″ Zellen die 3 Bypassdioden aus. Dann stellt man es in die volle Sonne. Das Modul könnte jetzt ca. 8,5A liefern. Nun schließt man eine äußere Quelle an, die einen deutlich größeren Strom liefern kann, z.B. 20A und die außerdem sehr hohe Spannungen bereitstellen kann. Diese Quelle muss den Strom in Vorwärtsrichtung durch das Modul treiben, also in der gleichen Richtung in der auch der erzeugte Strom fließen würde. Um diese 20A durch das Modul hindurch zu drücken würde eine Spannung von über 900V benötigt. Ich bitte darum dieses Experiment nur in Gedanken nachzuvollziehen oder es mit einem alten Modul zu testen. Nach dem Versuch dürften die Zellen ziemlich hinüber sein, da man sie im sogenannten “Durchbruch” betrieben hätte.
Bei einem Blitzstoßstrom im Bereich von mehreren kA (Kilo-Ampere) fließt aus oben genanntem Grund immer der meiste Strom über die Bypassdioden und zerstört diese in aller Regel. Oft sind die Dioden danach kurzgeschlossen und wirken auf die Solarzellen wie ein Überspannungsableiter.

Wir haben schon öfter PV-Anlagen untersucht bei denen in einem betroffenen Modulstrang nur noch wenige Bypassdioden in Ordnung waren. Alle anderen waren entweder komplett frei gebrannt, also offen oder kurzgeschlossen. Die Zellen sind sehr oft unbeschädigt und können nach Reparatur der Bypassdioden wieder arbeiten.

Die Elektrolumineszenzaufnahme zeigt einen Solarmodulstrang nach einem Überspannungsereignis, bei dem viele Bypassdioden zerstört (kurzgeschlossen) wurden.
Die Elektrolumineszenzaufnahme zeigt einen Solarmodulstrang nach einem Überspannungsereignis, bei dem viele Bypassdioden zerstört (kurzgeschlossen) wurden.

In der Elektrolumineszenzaufnahme lassen sich solche kurzgeschlossenen Bypassdiodenstrecken leicht nachweisen, da die betroffenen Substrings der jeweiligen Module keine Elektrolumineszenz mehr zeigen.
Eine zweite Methode um die defekten Module zu finden ist die Thermographie. In diesem Blogpost zu kurzgeschlossenen Bypassdioden habe ich bereits ausführlich beschrieben, dass man dann immer das typische Schachbrettmuster von wärmeren und kälteren Solarzellen im jeweiligen Substring finden kann. Der Begriff “Schachbrettmuster” ist hierbei allerdings nicht wörtlich zu nehmen. Es ist natürlich nicht immer jede zweite Zelle wärmer, sondern es gibt schlechtere Zellen, die einen geringeren Kurzschlussstrom treiben können und bessere Zellen und diese sind mehr oder weniger zufällig im Substring verteilt. Nun kommt das Eingangs erwähnte Thermogramm ins Spiel, bei dem es darum ging einen vermeintlichen Überspannungsschaden zu diagnostizieren. Es ließen sich aber keine typischen “Schachbrettmuster” im Diagramm finden. Dafür waren jede Menge merkwürdig heiße Zellen am unteren Rand der Module zu sehen.

kurzgeschlossene Bypassdioden bei stark verschmutzten Zellen am unteren Modulrand.
kurzgeschlossene Bypassdioden bei stark verschmutzten Zellen am unteren Modulrand.

Was passiert, wenn ein stark verschmutztes Solarmodul kurzgeschlossen wird ?

Beim Kurzschluss eines Solarmoduls oder einer Bypassdiode sind nicht alle Zellen im Kurzschluss. Die Spannung der Summe aller Zellen im Stromkreis ist zwar 0V, die Spannung der einzelnen Zellen weicht allerdings zum Teil deutlich von 0V ab. Die Zellen mit dem geringeren Kurzschlussstrom werden zu Verbrauchern, die Zellen mit dem größeren Kurzschlussstrom werden zu Erzeugern. Es findet daher eine Leistungsverschiebung von den “besseren” zu den “schlechteren” Zellen statt. Bei einem normalen Solarmodul sind die “schlechteren” Zellen statistisch gleichmäßig über das Modul verteilt (Schachbrettmuster). Bei einem stark verschmutzten Solarmodul ist dies nicht der Fall.

stark verschmutzte Solarmodule zeigen bei einem Kurzschluss im Thermogramm besonders hohe Temperaturen an den verchmutzten Solarzellen.
stark verschmutzte Solarmodule zeigen bei einem Kurzschluss im Thermogramm besonders hohe Temperaturen an den verchmutzten Solarzellen.

Hier werden die Zellen am wärmsten, die den geringsten Kurzschlussstrom treiben können und das sind logischerweise die am stärksten verschmutzten Zellen. Man sieht hier also bei einer kurzgeschlossenen Bypassdiode nicht das “typische Schachbrettmuster”, sondern einen warmen Zellstreifen dort, wo der meiste Schmutz zu finden ist. Im obigen Fall ist das der untere Modulrand. Leider werden diese stark verschmutzten Zellen auch wärmer, wenn der Wechselrichter die Spannung nach unten zieht und die jeweilige Bypassdiode leitend wird. Im Thermogramm kann man diesen Zustand kaum von einem satten Kurzschluss über die Bypassdiode unterscheiden. Man möge sich an dieser Stelle klar machen, dass an einer leitenden Bypassdiode eine Spannung von ca. 0,5V abfällt. An einer kurzgeschlossenen Bypassdiode fallen im Idealfall 0V ab. Der Unterschied ist also denkbar gering. Wenn man im obigen Fall eindeutig alle kurzgeschlossenen Bypassdioden finden will, muss man daher die Wechselrichter abschalten, so dass alle Module im Leerlauf sind. Ein Strom fließt dann nur noch dort, wo die Bypassdioden kurzgeschlossen sind und nur noch dort werden die verschmutzten Zellen am unteren Modulrand heiß. Ich würde mal tippen, dass ein Strang im obigen Bild im Leerlauf ist. Leider wurde in dem Fall oben die gesamte Anlage nicht abgeschaltet.
Dieses Beispiel ist ein weiterer schöner Beleg dafür, dass eine eindeutige Interpretation von Thermogrammen nur dann möglich ist, wenn man den Betriebszustand der thermographierten Solarmodule eindeutig kennt. Bestimmte Fehler wie etwa offene Zellverbinder (siehe diesen Artikel hier im Blog), bei denen jeweils ein Drittel des Moduls im Leerlauf ist, findet man nur im MPP Betrieb. Kurzgeschlossene Bypassdioden findet man viel einfacher im Leerlauf, bei abgeschaltetem Wechselrichter.
Klarheit darüber, was hier genau los ist schaffte schließlich ein kleiner Versuch bei uns im Garten hinter dem Büro. Dazu wurde bei einem einzelnen Solarmodul eine Bypassdiode kurzgeschlossen. Anschließend wurde das Modul so verschattet, dass es in etwa dem oben im Bild zu sehenden Schmutzrand entsprochen hat.

Im Versuch wurde die starke Verschmutzung durch einen Schattenrand simuliert. Zur Simulation defekter Bypassdioden wurde das Modul kurzgeschlossen.
Im Versuch wurde die starke Verschmutzung durch einen Schattenrand simuliert. Zur Simulation einer defekten Bypassdiode wurde eine der 3 Dioden mit einem Laborkabel kurzgeschlossen.

Hier nun das zugehörige Thermogramm, dass den gleichen Effekt zeigt, der auch auf der Drohnenthermographieaufnahme zu sehen ist.

Das Bild zeigt das Thermogramm eines Solarmoduls, bei dem eine Bypassdiode kurzgeschlossen ist und dessen unterer Rand stark verschattet oder verschmutzt ist.
Das Bild zeigt das Thermogramm eines Solarmoduls, bei dem die linke Bypassdiode (von vorne betrachtet) kurzgeschlossen ist und dessen unterer Rand stark verschattet oder verschmutzt ist.

Der Substring mit der kurzgeschlossenen Diode ist etwas kühler als die Nachbarsubstrings rechts, die sich im Leerlauf befinden. Die Leistung, die den kühleren Zellen links entnommen wird, wird in den stark verschmutzten bzw. verschatteten Zellen in Wärme umgesetzt und macht diese signifikant wärmer als alle anderen Zellen im Modul. Dort wo die Substrings im Leerlauf sind, spielt die Verschmutzung bzw. Verschattung keine Rolle. Anhand der “heißen Zellen” lassen sich so die defekten Bypassdioden eindeutig identifizieren.

Kommentare

  1. Ich habe jetzt schon einige Artikel über PV gelesen und ich wünsche mir ich hätte vor der Installation meiner PV hier gelesen. Was mich interessiert, was ist von den Tigo Optimierern zu halten? Holt man sich damit dann noch eine Fehlerquelle in die Anlage? Oder ein notweniges Übel, wenn man z.b. die Verschattung durch eine Gaube oder Schornstein kleiner halten will?

    1. Wir haben mit Tigo Leistungsoptimierern bisher keine Erfahrungen sammeln können. Ich teste gerade hier am Büro auf mehreren Dachflächen verteilt Solaredge.
      Grundsätzlich gilt: Der durch einen Leistungsoptimierer zu erwartende Mehrertrag ist nur dann zu erwarten, wenn der normale Stringwechselrichter eine schlechte MPP Regelung hat. Da dies oft der Fall ist, können Optimierer da sicher helfen. Bei einer guten MPP Regelung ist der Effekt eines Leistungsoptimierers eher gering. Ich habe Solaredge hier im Einsatz, erstens, weil ich die Geräte mal testen möchte und zweitens weil die Module auf mehreren Dachflächen mit mehreren Neigungen verteilt sind. Das geht nicht ohne Leistungsoptimierer. Die Solaredge Geräte laufen bisher (seit 4 Monaten) einwandfrei. Auch die Einrichtung war einfach und übersichtlich.
      Grundsätzlich können natürlich auch Leistungsoptimierer kaputt gehen. Wenn man dann extra ein Gerüst aufbauen muss um an die Dinger dran zu kommen, würde ich persönlich eher abraten. Bei uns gibt es einen jederzeit nutzbaren Zugang zum Dach.
      Gruß Matthias Diehl pvBuero

  2. Interessanter Artikel, vielen Dank.

    Als Ergänzung sei gesagt, dass dieses Verschmutzungsbild ganz häufig bei PV Anlagen unter 15° Neigung anzutreffen ist, weil das Wasserablaufverhalten stark eingeschränkt ist. Das flach verbaute Modul “sammelt” die Luftverschmutzung wie auf einem Präsentierteller, mit Nachtfeuchte oder Regen sammelt sich der Schmutz am unteren Rand. Innert kurzen 3-4 Jahren kann sich dieses im Foto gezeigte, sehr typische Schmutzbild aufbauen.

    Durch das nächtliche Befeuchten und Eintrocknen bei Betriebstemperatur entsteht eine chemisch-physikalische Reaktion im Glas, manchmal ein “milchiger” Streifen (Art Kalzinierung), manchmal auch in Form von Trocknungslinien die an die Falten um ein Elefantenauge erinnern. Das Glas reagiert besonders stark bei Verschmutzung aus Verbrennungsprozessen (Heizungsanlagen, Strassenverkehr, Industrie). Diese Glasreaktion ist nicht sichtbar, solange sich der Schmutz auf dem Modul befindet. Nach langjähriger Auflagerung sind diese degradativen Prozesse auch durch eine fachmännische Solarreinigung nicht mehr umfänglich reversibel.

    So unschön dies erscheinen mag, extrem flach verbaute Anlagen brauchen eine besondere Aufmerksamkeit bzgl. Sichtprüfung, technischer Wartung und relativ eng gefasste Reinigungstourni. Standortabhängig sollte die Modulreinigung deshalb alle 3-4 Jahre erfolgen.

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