Lautet das Schlagwort, mit dem derzeit versucht wird, die längeren Laufzeiten von Kernkraftwerken in Deutschland zu begründen. Jeder, der sich diesem Thema von der technischen Seite her nähert weiß, dass eine ernstgemeinte Brückentechnologie in ein Zeitalter mit einer Stromversorgung aus 100% Erneuerbaren Energien gänzlich anders aussehen muss. Ich möchte daher im nachfolgenden Artikel aufzeigen, warum die derzeitige Brücke aus meiner Sicht eine Krücke ist und wie ich mir eine Brückentechnologie auf dem Weg ins Solarzeitalter vorstellen könnte.
Fakt ist, dass die Erneuerbaren Energien mit dem größten Potenzial in Deutschland, nämlich die Windenergie und die Solarenergie sehr stark schwankend sind und dass sich mit den Techniken, die diese beiden Energieformen nutzbar machen, nur dann eine stabile Versorgung aufbauen lässt, wenn zusätzliche Technologien gefunden werden, die das stark schwankende Angebot mit der ebenso stark schwankenden Nachfrage in Übereinstimmung bringen. Dazu werden natürlich Kraftwerke benötigt, die immer dann einspringen können, wenn Wind und Sonne nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Diese Kraftwerke müssen schnell zu – und abschaltbar sein. Große Kohlekraftwerke und Kernkraftwerke erfüllen diese Anforderungen definitiv nicht.
Solange der Anteil an Wind- und Sonnenenergie im Stromnetz nur relativ klein ist verbleibt natürlich ein Verbrauchssockel der Tag und Nacht vorhanden ist, der von diesen Grundlastkraftwerken gedeckt werden kann. Je größer die Anteile an Solar und Windenergie allerdings werden, desto häufiger kommt es vor, dass zu Spitzenzeiten soviel Solar – oder Windstrom ins Netz eingespeist wird, dass nicht nur die Spitzenlast damit gedeckt werden kann sondern auch Teile der Grundlast. Die großen Grundlastkraftwerke also Strom produzieren, der in diesem Moment nicht mehr abgenommen werden könnte. Gegenwärtig löst man dieses Problem in zweierlei Hinsicht. Politisch wird eine Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke beschlossen, die faktisch einer Vorrangregelung für die Einspeisung von Kernenergiestrom gleichkommt. Technisch rüstet man neben den Windkraftanlagen nun auch Photovoltaikanlagen mit einer Leistung die größer als 100kWp ist mit einer fernsteuerbaren Abschalteinrichtung aus.
Man ermöglicht den Betreibern der Stromnetze also, den Strom aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen quasi wegzuwerfen, um das weitere Einspeisen von Kernenergie – und Kohlestrom zu gewährleisten. Die Krönung dieser angeblichen Brücke ins Solarzeitalter ist, dass der Verbraucher den “NICHT” eingespeisten Solar- und Windstrom anschließend über die EEG Umlage sogar noch bezahlen muss. Das EEG garantiert ja die Abnahme des eingespeisten Stromes. Kann dieser aus (vorgeschobenen) technischen Gründen nicht eingespeist werden, muss trotzdem bezahlt werden. Es gibt also eine Abnahmegarantie aber inzwischen keine Verwertungsverpflichtung mehr für den Ökostrom. Von der Öffentlichkeit völlig unbemerkt, wurde dieses kleine Detail des EEG nämlich zum 1.1.2010 verändert.
Während früher jeder Stromhändler eine Pflichtquote aus Erneuerbaren Energien abnehmen musste und diesen Strom gemeinsam mit seinem übrigen Strom vermarktet hat, wird der Strom aus EE seit dem 1.1.2010 komplett über die Leipziger Strombörse verkauft. Verramscht müsste man besser sagen, denn in Leipzig wurden bis dato nur ca. 15-20% des in Deutschland benötigten Stromes gehandelt. Diese Quote wurde nun durch den neuen EEG Umlagemechanismus quasi über Nacht verdoppelt. Die Folge ist, dass der Strom aus EE sehr schnell preisbestimmend wird. Mit anderen Worten: Wenn viel Solarstrom im Netz ist, ist der Strompreis an der Leipziger Strombörse besonders niedrig.
Durch diesen Mechanismus sorgt man dafür, dass die Differenz zwischen der gesetzlich garantierten Einspeisevergütung und dem tatsächlichen Wert des eingespeisten Stromes möglichst groß wird. Und genau diese Differenz zahlt anschließend der Stromverbraucher als EEG Umlage. Der niedrigere durch die EE Einspeisung entstandene Großhandelspreis (Merit Order Effekt) an der Börse hingegen kommt beim Endkunden nicht an.
Wir sehen also im Augenblick zwei Fakten. Man setzt politisch auf eine Brückentechnologie, die die technischen Voraussetzungen zur Brücke nicht erfüllt und man setzt auf einen Marktmechanismus, der die Erneuerbaren Energien beim Verbraucher teurer erscheinen lässt als sie eigentlich sein müssten. Wie man diese beiden fatalen Fehlentwicklungen anschließend noch als revolutionären Schritt hin zu einer Versorgung mit Erneuerbaren Energien verkaufen kann, entzieht sich meiner Vorstellungskraft.
Die entscheidende Frage lautet jedoch, wie eine Brückentechnologie denn aussehen könnte, die diesen Namen wirklich verdient, wo also nicht alte Infrastruktur künstlich am Leben gehalten wird, sondern wo neue Strukturen aufgebaut werden, die das Problem vielleicht nicht im ersten Schritt vollständig lösen, die jedoch dazu geeignet sind Stück für Stück an die neuen Erfordernisse angepasst zu werden. Dazu möchte ich zunächst folgende Vorüberlegung anstellen, bzw. eine aus meiner Sicht rhetorische Frage stellen: Kann es ein ZUVIEL an Strom überhaupt geben ?
Strom ist im Gegensatz zu Wärme in alle anderen Energieformen umwandelbar. Er kann in chemische Energie verwandelt werden (Akku oder Elektrolyse zur Wasserstofferzeugung), er kann in Bewegungsenergie gewandelt werden (Bahn, Elektrofahrzeuge) und er kann natürlich auch in Wärme gewandelt werden. In Bezug auf die letzte Möglichkeit möchte ich noch eine Anmerkung machen. Bisher galt “das elfte Gebot der Energietechnik: Mache niemals Wärme aus Strom, es sei denn es geht nicht anders”. Dieses Gebot leitet sich schlicht aus der Tatsache ab, dass ein konventionelles Kraftwerk aus der eingesetzten Primärenergie (Kohle, Öl, Uran) nur zwischen 35- und 45% Strom erzeugen kann. Der Rest geht in Form von Wärme verloren. Die großen Kühltürme an den Kraftwerken sind dafür ein weit sichtbares Zeichen.
Aus diesem – unter großem Aufwand und großem Wärmeverlust erzeugten Strom nun wieder Wärme zu erzeugen, ist absurd. Schließlich hätte man dann ja gleich den Primärrohstoff z.B. Kohle nehmen können um die Wärme zu erzeugen. Grundsätzlich anders wird die Sache allerdings, wenn der erzeugte Strom aus Windkraft-, aus Wasserkraft– oder aus Photovoltaikanlagen stammt. Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich möchte hier nicht dafür plädieren jetzt sofort im großen Stil auf Stromheizungen umzusteigen, ich gebe jedoch eines zu bedenken: Bevor man ein Windrad abregelt oder eine Photovoltaikanlage an der Einspeisung hindert, weil angeblich die Netze “verstopft” sind, sollte man lieber zusätzliche Verbraucher ans Netz nehmen, die in dieser Zeit z.B. elektrisch Heizen und dafür Öl oder Erdgas einsparen.
Auch die Erzeugung von Wasserstoff in Zeiten von Strom Überangebot halte ich für sinnvoll. Das dies machbar ist wurde an der Fachhochschule in Rüsselsheim schon vor 20 Jahren gezeigt. Der Wasserstoff müsste in einem ersten Schritt noch nicht einmal gespeichert werden. Er müsste lediglich ins nächstgelegene Erdgasnetz eingespeist werden. Sollten die Erdgasnetze wegen der hohen Flüchtigkeit des Wasserstoffes in einem ersten Schritt dazu nicht bereit sein, bietet sich ein Weg zur künstlichen Methanherstellung mit Hilfe von solarem Wasserstoff an. Jede kWh Wind oder Solarstrom würde auf diesem Wege zwar nicht direkt verbraucht – was wünschenswerter wäre – sie würde jedoch auch nicht weggeworfen, sondern diente dazu an einer anderen Stelle fossile Energieträger einzusparen.
Die wesentlichen Merkmale einer Brückentechnologie aus meiner Sicht:
Die eingeschlagenen Wege zum Ausbau der Erneuerbaren Energien sollten nicht abgewürgt, sondern verbessert werden. Ein zu großes Marktwachstum der Windenergie oder der Photovoltaik gibt es aus meiner Sicht nicht, solange die Kosten für diese Stromerzeugungsarten weiterhin sinken. Wenn man es wirklich ernst meint, sollte man außerdem nicht die Kosten künstlich höher erscheinen lassen, als sie wirklich sind, man sollte allerdings auch Lenkungsmechanismen einführen, die den Betreibern von Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen mehr Verantwortung dafür abverlangen, was mit dem erzeugten Strom anschließend passiert. Wie würde sich der Markt beispielsweise entwickeln, wenn bei Betreiber solcher Anlagen, die den erzeugten Strom “einfach nur einspeisen” lediglich den gleichen Tarif als Einspeisevergütung bekämen, den sie auch selbst für Ihren Strom bezahlen müssen? Wenn Sie jedoch eine bestimmte Leistung bereitstellen (also zusätzlich auch in Speichertechnologie investiert haben), wann immer diese vom regionalen Netzbetreiber gerade benötigt wird, erhalten sie für diese dann eingespeisten kWh eine entsprechend höhere Vergütung. Die Vergütung müsste so gewählt werden, dass sich damit Maßnahmen zur Energiespeicherung finanzieren lassen.
Die Tatsache, dass alle konventionellen Kraftwerke ca. 55 – 65% der eingesetzten Primärenergie ungenutzt als Abwärme in die Umwelt entlassen, birgt ein gigantisches Potenzial zur Effizienzsteigerung der Energieausnutzung, dass wieder besseren Wissens bisher weitgehend ungenutzt bleibt. Das Stichwort heißt Kraft-Wärme Kopplung (KWK). Wenn es eine ernstzunehmende Brückentechnologie gibt, dann ist es aus meiner Sicht die gasbetriebene Kraft Wärme Kopplung in sogenannten Blockheizkraftwerken (BHKW). Ich bin der festen Überzeugung: Hätte man im Jahr 2000 als man das EEG in Deutschland eingeführt hat, eine Regelung für KWK gefunden, die eine annähernd vergleichbare Wirtschaftlichkeit für BHKWs geschaffen hätte wie man sie für Wind- und Photovoltaikanlagen geschaffen hat, würde heute niemand mehr über Kernenergie reden. Dezentrale KWK bringt aus meiner Sicht folgende wesentlichen Elemente mit, die sie als Brückentechnologie empfehlen:
- KWK hat eine extrem gute Brennstoffausnutzung von bis zu 95%
- KWK kann mit Gas betrieben werden. Die Verbrennungsprodukte sind vergleichsweise sauber und sie eignet sich für den Betrieb von Kraftwerken innerhalb unserer Städte.
- Erdgas als Brennstoff ist zwar ein fossiler Brennstoff, man kann über die dazu notwendige Infrastruktur jedoch ohne weiteres in Zukunft auch Biogas, synthetisches Methangas oder gar Wasserstoff transportieren.
- Die eingesetzten Maschinen könnten in Zukunft auch mit regenerativ erzeugten Gasen betrieben werden. Es wären also nicht zwingend Neuinvestitionen notwendig.
- Die Wärme wird insbesondere dann benötigt wenn wenig Solarenergie zur Verfügung steht.
- KWK Anlagen sind sehr flexibel. Sie können im Gegensatz zu großen Kohle- und Kernkraftwerken schnell zu und abgeschaltet werden. Die Abwärme kann für Heiz- oder Klimatisierungszwecke genutzt werden.
Dem Hauptargument gegen die KWK Technik auf Erdgasbasis, man würde in eine zu große Abhängigkeit von russischem Erdgas gelangen, könnte man ohne Weiteres durch ein Einspeisegesetz für regenerativ erzeugtes Gas begegnen. Wenn man eine entsprechende Vorrangregelung einführte, wie sie derzeit beim Strom besteht, könnte man auf diese Weise den Anteil des fossilen Erdgases Jahr für Jahr systematisch reduzieren. Man würde auf diese Weise die Wachstumsbranche der Erneuerbaren Energien nicht künstlich abwürgen und könnte Energieabhängigkeiten systematisch und nachhaltig reduzieren.
Alle Sachkapitalien, die in einer kapitalistischen Marktwirtschaft (Zinsgeld-Ökonomie) nur durch staatliche Subventionen mittelfristig – solange der “liebe Staat” sich die Subventionen noch erlauben kann – über die Rentabilitätshürde des Urzinses gehoben und damit praktisch realisiert werden können, haben langfristig keine Chance, sich auf dem freien Markt durchzusetzen.
Die Frage “Was hat mehr Wert: eine Milliarde Euro oder die entsprechende Solarzellenfläche?” fällt ohne staatliche Subventionen, die letztlich von allen Steuerzahlern erarbeitet werden müssen, immer zu Gunsten des Zinsgeldes aus, denn mit der Milliarde Euro “verdient” der Finanzinvestor allein durch langfristigen Verleih über 45 Millionen Euro pro Jahr auf Kosten der Mehrarbeit anderer (Zinsverlierer). Die Energie, die die entsprechende Solarzellenfläche pro Jahr erzeugt, muss für mehr als 45 Millionen Euro plus Risikoprämie plus Wartungs- und Betriebskosten plus Unternehmerlohn plus Bodenrente des Grundstücks, auf dem die Solaranlage errichtet werden soll, verkauft werden können; anderenfalls wird die Solaranlage in einer Zinsgeld-Ökonomie nicht realisiert.
Selbst in Ländern, in denen die durchschnittliche Sonneneinstrahlung deutlich höher und die Bodenrente deutlich niedriger ist als in Deutschland, ist die Rentabilitätshürde des Urzinses für Solaranlagen ohne staatliche Subventionen kaum zu überwinden. Für die Bundesrepublik Deutschland ist es daher in der bestehenden Geld- und Bodenordnung vollkommen illusorisch, einen Großteil oder gar den gesamten Energiebedarf durch Sonnenenergie decken zu können.
Ganz anders sieht die Situation nach einer freiwirtschaftlichen Geld- und Bodenreform aus, wenn der Urzins des Geldes auf Null sinkt, ohne dass es zum Geldstreik (Investitionsstreik) kommen kann. Solaranlagen gehören dann zu den gefragtesten Investitionsobjekten, weil ihre Wartungs- und Betriebskosten gegenüber allen anderen Möglichkeiten der Energieerzeugung praktisch zu vernachlässigen sind. In weniger als zwei Jahrzehnten ist die globale Energieversorgung allein durch Solarzellen gedeckt, ohne dass überhaupt staatliche Subventionen notwendig werden!
Solange es eine Mehrheit der Systemtrottel gibt, die diese einfachen Zusammenhänge genauso wenig verstehen kann wie die “hohe Politik” sie verstehen will, wird es keine Energiewende geben.