Photovoltaik und Blindleistung

Blindleistung, heißt es in der Neufassung der Einspeisevorgaben der Stromnetzbetreiber, soll in Zukunft auch von Photovoltaikanlagen geliefert werden können. Es gibt im Netz bereits zahlreiche Erklärungen zum Thema Blindleistung, die für technisch versierte Leser sicherlich auch zu verstehen sind. Bei technischen Laien hört der Spaß bei phasenverschobenen Strömen und Spannungen meist auf. Ich möchte daher hier den Versuch einer Erklärung des Phänomens “Blindleistung” machen, den man verstehen kann ohne Elektrotechniker zu sein.

Ich fange daher mal ganz einfach damit an, dass mit Hilfe von Stromleitungen Energie von einem Punkt (in der Regel ein Kraftwerk) zu einem anderen Punkt (die Verbraucher) übertragen wird. Die Stromleitungen werden dabei warm und die Energie, die in Form von Wärme unterwegs auf der Strecke bleibt, kann letztlich nicht mehr beim Stromkunden verbraucht werden. Will man mehr Energie übertragen, muss man die Leitungen daher dicker machen, damit nicht zu viel Energie unterwegs verloren geht.  Im Normalfall findet also immer ein Energiefluss von Punkt A nach Punkt B statt.

 

Übertragung von Wirkleistung über das Stromnetz

Nun gibt es aber technische Einrichtungen, die die gelieferte Energie gar nicht verbrauchen, sondern nur kurz zwischenspeichern und anschließend wieder zum Empfänger zurückschicken.  Was zunächst sinnlos klingt, hat natürlich einen technischen Grund. Diese Geräte funktionieren nur durch diese pendelnde Energie.
Vielleicht sollte ich an dieser Stelle noch einfügen, dass Energie – entgegen der allgemeinen Redensart – nie wirklich verbraucht wird, sondern in aller Regel in den Stromverbrauchern in Wärme umgewandelt wird. Ein Fernsehgerät oder ein Computer, sind energetisch betrachtet nichts anderes als Elektroheizungen. Manchmal wird aus der elektrischen Energie auch zunächst chemische Energie (beim Aufladen eines Akkus), die dann im nächsten Schritt in Wärme verwandelt wird.
Die oben genannten elektrotechnischen Einrichtungen, die die Energie nicht in Wärme umwandeln, sondern sie nur kurz zwischenspeichern, um sie dann wieder zum Absender zurück zuschicken teilen sich in zwei Gruppen. Bei der einen Gruppe wird die elektrische Energie in magnetische Energie umgewandelt. Im zweiten Fall wird sie in elektrostatische Energie verwandelt. Die erste Gruppe möchte ich zum Verständnis etwas näher betrachten. Bei der zweiten Gruppe verhalten sich die Dinge ganz ähnlich.
Ein Beispiel für die erste Gruppe sind Transformatoren und Elektromotoren. Im zweiten Beispiel handelt es sich um sogenannte Kondensatoren, die sich zum Beispiel in Computernetzteilen befinden.

Pendelnde Blindleistung im Stromnetz

Wenn elektrische Energie in Magnetische verwandelt wird, muss man sich das so vorstellen, wie beim Anfahren eines Autos. Man tritt auf’s Gaspedal, doch es dauert eine ganze Weile, bis sich das Fahrzeug in Bewegung setzt und entsprechende Bewegungsenergie aufgenommen hat. Bei der Umwandlung von elektrischer in magnetische Energie wird eine Spannung an einen Stromleiter angelegt, der z.B. um einen Eisenkern gewickelt wurde. Auch hier dauert es eine ganze Weile, bis der Strom zu fließen beginnt und sich das Magnetfeld langsam aufbaut. Die elektrische Energie wird also mit einer gewissen Zeitverzögerung in magnetische Energie verwandelt. Im umgekehrten Fall verhält es sich genauso. Beim Auto wird man beim Tritt aufs Bremspedal nicht von einem auf den anderen Augenblick zum Stehen kommen. Die Bewegungsenergie muss sich erst langsam abbauen. Ebenso ist es mit einem Magnetfeld. Wenn es sich langsam abbaut wird die magnetische Energie wieder in elektrische Energie zurückverwandelt. Bei unserem Stromnetz laufen diese Umwandlungsprozesse übrigens sehr schnell ab. So wird in einer Sekunde 100 mal elektrische Energie auf die Leitungen geschickt, über weite Strecken übertragen, verwandelt sich in den Transformatoren und in den Elektromotoren kurz in magnetische Energie und wird dann wieder in Form von elektrischer Energie zum Kraftwerk zurück geschickt. Das ist notwendig, damit diese Einrichtungen funktionieren, es bewirkt aber einen großen Energiefluss, der ständig hin und her schwappt. Bei diesem Hin- und Herfließen der Energie werden natürlich auch die Leitungen warm und ein Teil der Energie bleibt, genau wie beim ‘normalen’ Energietransport auf den Leitungen ,in Form von Wärme, auf der Strecke. Je mehr dieser hin und herfließenden Energie auf der Leitung unterwegs ist, desto weniger Platz bleibt für die eigentliche Nutzenergie, die vom Kraftwerk zum Verbraucher fließen soll.

Nun verändert sich unsere Kraftwerkslandschaft ja zunehmend, weg von wenigen Großkraftwerken hin zu vielen kleinen Erzeugungsanlagen, seien es Windräder oder Photovoltaikanlagen. Diese Anlagen stehen in aller Regel sehr viel näher bei den Verbrauchern als die großen Kraftwerke. Daher liegt es nahe, dass in Zukunft auch die Photovoltaik- und die Windkraftanlagen einen Teil der “Pendelenergie” die ständig hin und herfließt beisteuern. Dadurch werden die Leitungen entlastet, da die Pendel-Energie nur noch vom nächstgelegenen Windrad zum Transformator pendelt. Dadurch kann durch die lange Überlandleitung mehr Nutzenergie transportiert werden. Das bedeutet, dass auch etwas mehr Solar- und Windenergie transportiert werden kann ohne dass man gleich die Netze ausbauen muss.

Photovoltaik und Blindleistung

Die Regelungen zur Blindleistungsbereitstellung bei Eigenerzeugungsanlagen findet man in der VDE Anwendungsregel VDE-AR-N 4105 ab Seite 28

Kommentare

  1. Hallo Matthias,

    sehr gelungene Erläuterung ! Was ist deiner Einschätzung nach aufgrund der neuen Niederspannungsrichtlinie an Leistungseinbußen pro Jahr einzukalkulieren? Die Zahlen von BSW ( 2-3 % ) und Fraunhofer Institut ( 7-8 % ) variieren ja sehr stark. Deine Meinung dazu würde mich interessieren.

    Lieben Gruß

    Marcus

  2. Hallo Marcus,
    es kommt hier nicht zu Leistungseinbußen. Die Wechselrichter müssen lediglich etwas überdimensioniert werden: Ein Wechselrichter kann bedingt durch die Auslegung seiner Leistungshalbleiter einen bestimmten Strom liefern. Wenn dieser Strom ein reiner Wirkstrom ist (keine Phasenverschiebung zur Spannung), ist die eingespeiste Leistung maximal. Wenn, bedingt durch die Phasenverschiebung ein Teil des Stromes zu Blindstrom wird, reduziert sich die Wirkleistung entsprechend. Ein Maß für das Verhältnis zwischen Wirkstrom und Gesamtstrom gibt der cos des Phasenwinkels (phi) zwischen Strom und Spannung. In der neuen VDE Anwendungsregel wird bei kleinen Anlagen die Einstellbarkeit eines cos(phi) zwischen -0,95 und +0,95 verlangt. Bei größeren Anlagen liegt die Spanne zwischen -0,9 und +0,9. Welcher Wert am Wechselrichter genau eingestellt wird, soll der Netzbetreiber individuell bei der Inbetriebnahme festlegen. Das hängt vom Blindleistungsbedarf auf dem jeweiligen Netzabschnitt ab. Die oben genannten Werte dürften daher statistische Abschätzungen sein, mit den entsprechenden Toleranzen…
    Gruß Matthias

  3. Hallo.
    Und wie sieht es bei einem autarken Inselsystem aus?
    Müssen dort auch nur die Wechselrichter überdimensioniert werden?

    MfG
    M. Kirchen

  4. Hallo M. Kirchen,
    bei einem Inselsystem orientiert sich die Leistung des Wechselrichters an der maximal gleichzeitig auftretenden Leistung der Verbraucher. In der Regel wird noch etwas zusätzliche Reserve benötigt, wenn elektrische Motoren in dem Inselnetz betrieben werden. (Staubsauger; Kühlschrankkompressoren etc…)
    Gruß Matthias Diehl

  5. Hallo Matthias,
    wir betreiben in Österreich eine 350 KW/p PV Anlage. Es sind 7 Wechselrichter von Kaco Pawador 60 TL3 im Einsatz. Alle 7 Wechselrichter gehen über 2 St. 30 Meter lange 250mm2 Leitungen direkt zum 20KV Trafo. Die Wechselrichter speisen mit 400 Volt 3 phasig ein.
    Wir sind Volleinspeiser und der eingespeiste (geförderte) Strom wird von der OeMAG vergütet.
    Nun bekamen wir vom Netzbetreiber die Monatsabrechnung und darin steht, das wir 1 KW/h Strom im Monat verbraucht haben. Das könnte soweit stimmen da die Wechselrichter in Stand by mode ca. 1,5 Watt verbrauchen. Was wir aber nicht verstehen können ist, das wir 1145 KVArh Blindstrom verbraucht hätten welchen wir in Rechnung gestellt bekommen haben.
    In diesem Abrechnungszeitraum wurden ca. 19000 KW/h eingespeist. Lt. Kaco lässt der Netzbetreiber eine Veränderung des cos(phi) nicht zu und wurde daher vom Werk fix auf 1 gestellt. Meine Frage,, kann der Netzbetreiber uns den Blindstrom in Rechnung stellen, obwohl
    er den eingespeisten Strom gar nicht vergütet und wir so gut wie keinen Strom beziehen.
    Gruß Franz

  6. Hallo,
    wie die einzelnen Netzbetreiber die Berechnung von Blindleistung handhaben, kann ich nicht sagen. Der Netzbetreiber müsste das aber doch im Vorfeld angegeben haben, dass er Blindleistung berechnet. Ich vermute es handelt sich um die Blindleistung des Netztransformators. Diese ließe sich sicherlich einfach durch die Wechselrichter bereitstellen um diese Kosten in Zukunft zu vermeiden.

    Matthias Diehl
    pvbuero

  7. Tolles Thema und super aufbereitet. Wie sieht es eigentlich mit der Blindleistung aus, wenn mann kein Hybrid-System hat, sondern einen sep. Batterie-Wechselrichter? Müssen diese auch Blindleistung bereitstellen können, ohne einen Regelbetrieb? z.B. auch mit einer Q(U)-Kennlinie?

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